Kurz von Richter befragt
Die Ermittlungen gegen den Bundeskanzler wegen des Verdachts der Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss erreichten ein neues Stadium.
War Bundeskanzler Sebastian Kurz in die Bestellung seines ehemaligen Vertrauten Thomas Schmid zum mächtigen und gut bezahlten ÖBAG-Chef eingebunden? Um diese Frage drehte sich zuletzt der Ibiza-Untersuchungsausschuss. Denn Kurz hatte vor dem U-Ausschuss unter anderem so darauf geantwortet. „Nein, es war allgemein bekannt, dass ihn das grundsätzlich interessiert, und es war sicherlich auch so, dass immer wieder davon gesprochen wurde, dass er ein potenziell qualifizierter Kandidat wäre“, sagte Kurz bei seiner ersten Befragung vor dem U-Ausschuss im Jahr 2020. Einige Monate später tauchten Chats auf, die aus Sicht der Opposition nahelegten, dass Kurz sehr wohl involviert gewesen sei. Da vor dem U-Ausschuss Wahrheitspflicht herrscht, wurde Kurz deshalb wegen möglicher Falschaussage angezeigt. Am Mittwoch wurde bekannt, dass der Kanzler bereits Anfrag September als Beschuldigter befragt worden war.
Und zwar von einem Richter. Das sieht die Strafprozessordnung so vor, wenn es sich um Fälle von öffentlichem Interesse handelt. Ein Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die gegen den Kanzler ermittelt, konnte allerdings anwesend sein.
Die Verteidigungslinie des Kanzlers liegt den SN vor. Kurz weist in der schriftlichen Stellungnahme, die er ergänzend zu seiner mündlichen Aussage einbrachte, darauf hin, dass er nicht „Nein“gesagt habe, sondern (wie aus dem Audiomitschnitt hervorgehe) „Na“. Mit dem „Na“habe er auf die unterstellende Frage des Neos-Abgeordneten Helmut
„Meine Aussagen waren zutreffend“
Brandstätter hinweisen wollen. In der Folge habe er die Protokollierung des „Na“als „Nein“streichen lassen wollen, weil er beim Studium des Protokolls gesehen habe, dass man die Formulierung auch missverstehen könnte. Jedenfalls ergebe sich selbst bei falscher Auslegung des „Na“als „Nein“eine doppelte Verneinung auf die Frage, ob er mit Thomas Schmid „nie darüber (über die Bestellung als ÖBAG-Chef, Anm.) gesprochen“habe. Ein „Nein“auf „nie“hieße, dass er immer wieder mit Schmid geredet habe, dass dieser ein potenziell qualifizierter Kandidat wäre.
Kurz gab zudem an, dass er auf die Frage, ob er im Vorfeld in die Bestellungs-Entscheidung eingebunden gewesen sei, „eingebunden im Sinn von informiert“gesagt hatte.
Seine Einbindung habe aber nicht in einer Entscheidung bestanden.
„Ich hatte nicht die geringste Absicht, vor dem U-Ausschuss falsche Aussagen zu machen, und habe dies in Bezug auf meine damaligen Erinnerungen auch nicht getan. Auch nach mehrmaligem Studium der Vorwürfe und Unterlagen zeigt sich für mich, dass meine Aussagen zutreffend waren“, so der Kanzler in der Stellungnahme.
Kurz verweist auch darauf, dass er zu sämtlichen umfangreichen Beweisthemen des U-Ausschusses geladen war und in der „Ausnahmesituation“der Pandemie eine detaillierte Vorbereitung rein zeitlich nicht möglich war. Kurz hat, wie er angibt, bei seiner Ausschuss-Einvernahme schon gewusst, dass die Chats von Schmid sichergestellt waren: „Weshalb mir von vornherein klar war, dass jegliches Abweichen von meiner konkreten Erinnerung, soweit sie damals vorhanden war, völlig sinnlos und kontraproduktiv wäre und mir selbst ja nur Schaden zufügen könnte.“