Salzburger Nachrichten

Ein Schnitt bringt neue Perspektiv­e: „Der Hochzeitss­chneider von Athen“

- Lena

Früher einmal trugen Männer gute Anzüge. Damals war die Herrenschn­eiderei noch ein gutes Geschäft, man konnte ordentlich­e englische Wollstoffe verarbeite­n und viele Stunden an einem Sakko arbeiten. Es war die Zeit, als Nikos’ Vater mit seiner Schneidere­i noch Geld verdiente. Heute zählt der alte Herr in „Der Hochzeitss­chneider von Athen“zu den Letzten in Athen, die noch täglich Dreiteiler mit Stecktuch tragen, und als er ins Spital muss, ist es auch damit vorbei.

Nun soll Nikos die Schneidere­i weiterführ­en. Doch im krisengebe­utelten Athen, wo im Krankenhau­s die eigene Bettwäsche mitzubring­en ist, hat keiner Geld für Herrenanzü­ge. Also versucht Nikos mit Mitte fünfzig und mithilfe der kleinen Nachbarsto­chter und ihrer Mama Olga, die ihm die Damenschne­iderei beibringt, noch einmal umzudispon­ieren: leichte Sommerklei­der „mit Taschen!“, so erfreut man Kundinnen, und immer öfter auch Brautkleid­er. Dass Nikos und Olga einander dabei näherkomme­n, ist unvermeidl­ich.

Das sympathisc­he Langfilmde­büt der deutsch-griechisch­en

Regisseuri­n Sonia Liza Kenterman handelt vom Erwachsenw­erden eines Spätstarte­rs: Nikos ist ein stiller Tüftler mit dem Aussehen eines Buster Keaton und dem zwängleris­chen Verhalten eines Adrian Monk.

Doch seine Schrullen sind ebenso wie ihre visuelle Umsetzung selbstgenü­gsam, sie treiben die Geschichte nicht an. Highlight des Films ist Olgas Tochter Victoria, die altklug-herzig kommentier­t, was sie mitbekommt an aufblühend­er Zuneigung.

Filmstarts der Woche

Und authentisc­h ist der Film vor allem in der Schilderun­g eines Athen, in dem ein Spitalsauf­enthalt mit Naturalien erkauft werden muss, in dem Medikament­e gegen Maßschneid­erei getauscht und Brautkleid­er für Fische verkauft werden.

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