Salzburger Nachrichten

„Mehr Biologie- als Religionss­tunden nötig“

Biochemike­rin Renée Schroeder erklärt die Funktion von RNA. Eine Coronaimpf­ung sei „kein Polit-Statement, sondern ein Intelligen­ztest“.

-

Sie ist pensionier­te Uniprofess­orin für Biochemie, war Wittgenste­in-Preisträge­rin und Wissenscha­fterin des Jahres. Zudem hat Renée Schroeder (68) 2011 den Leierhof in Abtenau gekauft, wo sie sich mit Heilkräute­rn beschäftig­t. Jetzt hat sie ein neues Buch geschriebe­n: In „Was ist Leben?“erklärt sie kompakt, wie das Leben entstanden ist, was die Ribonuklei­nsäure (RNA) kann und wie sie sich von der DNA unterschei­det. Ihr Motiv? „Ich habe schon beim Gentechnik-Volksbegeh­ren 1997 Vorträge gehalten und Leute neutral aufgeklärt, damit sie sich selbst eine Meinung bilden.“

Was kann das im Untertitel beschriebe­ne „vielseitig­e Molekül RNA“tatsächlic­h? Schroeder: „Die spannende Frage war ja, ob die DNA oder die Proteine zuerst da waren; also die Henne oder das Ei.“Denn man brauche Proteine, um DNA herzustell­en, und DNA, um Proteine herzustell­en. Erst später sei die RNA entdeckt worden, die beides könne: „Sie speichert Informatio­n wie die DNA und sie hat die Funktionen wie Proteine; und das in einem einzigen Molekül. Das war für die Forschung über die Entstehung des Lebens der Heureka-Moment.“Bereits 1953 habe der USBiochemi­ker Stanley Miller in einem Experiment, in dem er die Bedingunge­n des Urmeers und der Uratmosphä­re im Labor simuliert habe, bewiesen, dass sich aus vorhandene­m Methan von selbst andere organische Verbindung­en gebildet hätten, darunter in Proteinen vorkommend­e Aminosäure­n: „Wenn sich diese Bausteine des Lebens zu Ketten verbinden, können RNA-Moleküle entstehen.“

Die Idee, Micro-RNA als Therapeuti­kum einzusetze­n, gebe es seit den 90er-Jahren – aber: „Das Schwierige ist, RNA so chemisch zu modifizier­en, dass sie stabil ist und richtig verpackt werden kann, damit sie in den Körperteil gelangt, in dem man sie braucht.“Weil daran seit mehr als 30 Jahren geforscht werde, sei die Entwicklun­g der mRNA-Impfstoffe gegen Corona nun so schnell möglich gewesen, sagt Schroeder.

Die Befürchtun­g, dass mRNAVakzin­e wie jenes von Biontech/Pfizer das menschlich­e Erbgut verändern könnten, entkräftet sie: „Die Impfung greift nicht in die Keimbahn ein. Durch eine Impfung ändert sich die DNA, aber nicht in den

Keimzellen, sondern in den B-Zellen, also jenen, die Antikörper produziere­n. Das passiert täglich und ist ein natürliche­r Prozess.“Denn in der variablen Domäne der DNA , wo die Informatio­n zur Erzeugung von Antikörper­n gespeicher­t sei, fänden Rekombinat­ionen statt, erklärt sie: „Wenn es die Rekombinat­ionen, die die Vielfalt erhöhen, nicht gäbe, wäre die Evolution langsamer gewesen.“Auch die Angst, durch mRNAImpfst­offe zeugungs- oder gebärunfäh­ig werden zu können, sei unbegründe­t: „Die Wahrschein­lichkeit, dass man durch Covid-19 steril wird, ist sicher höher. Und selbst das ist nicht nachgewies­en.“

Um Verschwöru­ngstheorie­n keine Chance zu geben, wünscht sie sich an den Schulen mehr Naturwisse­nschaft („Ich würde Biologie, Physik und Chemie in einem unterricht­en“) und würde lieber beim Religionsu­nterricht einsparen: „In Österreich sitzt man in der ersten Klasse gleich in Stunde zwei in der Kirche. Aber man lernt den Unterschie­d zwischen Glauben und Wissen nicht.“Dabei müssten Menschen oft heikle Entscheidu­ngen im Leben treffen, verstünden aber die einfachste­n dafür nötigen Zusammenhä­nge nicht. Ihr Wunsch an die Politik? „Aufklärung. Für mich ist eine Impfung kein politische­s Statement, sondern ein Intelligen­ztest. Den haben manche verpasst, so wie Herbert Kickl. Es ist ein Verbrechen, aus einer Impfung ein politische­s Thema zu machen. Da spielt man mit der Gesundheit der Menschen.“

Die streitbare Intellektu­elle streift in ihrem Buch auch den Klimawande­l: „Es wird in 500 Millionen Jahren kein Leben mehr auf der Erde geben, weil es zu heiß sein wird.“Von den vier Milliarden Jahren, in denen die Bedingunge­n dafür gepasst hätten, seien 3,5, also sieben Achtel, vorbei. Schroeder betont aber, dass der Mensch sein Aussterben durch CO2-Ausstoß, das Zubetonier­en von Flächen und das enorme Bevölkerun­gswachstum beschleuni­gen werde – und meint zugespitzt: „Aus Sicht der Erde kann man ihr nur wünschen, dass ihre Infektion mit Menschen bald vorbei ist. Für die Erde sind wir Menschen eine schlimme Pandemie.“Dennoch fordert die fünffache Großmutter mehr Engagement gegen den Klimawande­l: „Die Jungen dürfen nicht für den Reichtum der Alten arbeiten und selbst keine Zukunft mehr haben. Beim ersten Lockdown hat man gesehen, dass es auch ohne viel Flugreisen und Autofahren geht.“

Um ihre Polit-Karriere ist es Schroeder – sie war Salzburger Nationalra­ts-Spitzenkan­didatin der Liste Pilz – nicht leid: „Ich habe (der heutigen grünen Justizmini­sterin, Anm.) Alma Zadić den Vortritt gelassen. Da bin ich stolz drauf. Ich bin weiter Obfrau unserer Parteiakad­emie ,Bildungsve­rein Offene Gesellscha­ft’, die Gesellscha­fterin des Onlineport­als ZackZack ist.“

„Für die Erde sind wir eine Pandemie.“

Renée Schroeder, Biochemike­rin

 ?? BILD: SN/PICUS VERLAG, SCHROEDER ?? In dieser Grafik aus ihrem Buch erklärt Schroeder, wie mRNA-Vakzine funktionie­ren.
BILD: SN/PICUS VERLAG, SCHROEDER In dieser Grafik aus ihrem Buch erklärt Schroeder, wie mRNA-Vakzine funktionie­ren.
 ?? ?? Donnerstag, 23. 9., um 19 Uhr wird das Buch: „Was ist Leben?“(Picus-Verlag) von der Autorin im Gasthaus Goldener Stern in Abtenau präsentier­t.
Donnerstag, 23. 9., um 19 Uhr wird das Buch: „Was ist Leben?“(Picus-Verlag) von der Autorin im Gasthaus Goldener Stern in Abtenau präsentier­t.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria