Eine Frau gegen die Mafia
Debora Cerreoni war mit einem der Bosse einer Mafiafamilie in Rom verheiratet. Als sie die Seiten wechselte und zur Kronzeugin der Justiz wurde, war dies das Ende des Clans Casamonica.
Ihr Gesicht kennen nur die Ermittler. Und die Mitglieder der Familie Casamonica. Debora Cerreoni ist 37 Jahre alt. Mehr als zehn Jahre lang lebte die Mutter von drei Kindern in einem römischen MafiaClan. Dann sagte sie vor der Staatsanwaltschaft aus. Ihr Ehemann Massimiliano Casamonica war einer der Bosse der Familie mit Sinti-Wurzeln, die eine der einflussreichsten Organisationen der römischen Unterwelt ist.
Zu Beginn dieser Woche verurteilte ein Gericht in Rom in erster Instanz 43 Clan-Angehörige zu Gefängnisstrafen von insgesamt mehr als 400 Jahren. Cerreonis Ex-Ehemann bekam 19 Jahre Haft. Drogenhandel, Erpressung, Wucher und Zuhälterei wurden den Angeklagten nachgewiesen. Das Gericht stellte erstmals fest, dass es sich bei den Casamonica um eine MafiaVereinigung
handelte. Debora Cerreoni wirkte erst jahrelang mit bei den Verbrechen, wegen ihrer Kooperation mit der Justiz wurde ihre Haftstraße im April auf nur 26 Monate festgesetzt. Die Kronzeugin erlebte auch die Kehrseite. Die Frauen des Clans drohten ihr, sie in Säure aufzulösen, wenn sie sich nicht an die Regeln halte. Als sie noch Mitglied war, wurde ihren drei Kindern der Schulbesuch verboten.
Cerreoni entschloss sich 2014, den Casamonica den Rücken zuzukehren. Sie floh nach Norditalien und steht unter Zeugenschutz. „Es war, als hätte ich nicht nur Massimiliano geheiratet, sondern den ganzen Clan“, erzählte sie den Ermittlern. Ohne ihre Aussagen wäre das Urteil diese Woche so nicht gefallen. „Jede Kernfamilie hat einen Chef und die Familien sind untereinander vernetzt. Es gibt keinen Superboss“, berichtete die Kronzeugin über die Funktionsweise des Clans aus dem Quadraro-Viertel. Sie beschrieb die Gewalttätigkeit einiger Mitglieder, wie Bündel von Geldscheinen eingemauert und Drogen in Wäscheschränken versteckt wurden. Im Gefängnis bekamen die Casamonica wegen ihrer Beziehungen zum Wachpersonal längere Sprechzeiten und konnten Drogen einschleusen. „Sie haben das Bedürfnis, ihre Macht zu zeigen“, sagte Cerreoni. Deshalb stellten die Casamonica „grenzenlosen Luxus“zur Schau.
Als die Stadtverwaltung im November 2018 einige Villen der Familie im Südosten Roms beschlagnahmte und zerstören ließ, filmten benachrichtigte TV-Teams im Inneren der Häuser goldene Armaturen, Whirlpools, Statuen, Marmorskulpturen und Fresken. 600 Polizisten waren zur Räumung gekommen. Acht ohne Genehmigungen errichtete Luxusvillen wurden damals konfisziert und später dem Erdboden gleichgemacht. Die Häuser befanden sich überdies auf dem Areal eines denkmalgeschützten römischen Viadukts.
Im Sommer 2015 hatten die Casamonica mit einer dreisten Machtdemonstration in Rom für Furore gesorgt. Pompös und in aller Öffentlichkeit begingen die Familien das Begräbnis von Vittorio Casamonica. Sein Sarg wurde von einer vergoldeten Pferdekutsche transportiert, ein gecharterter Hubschrauber ließ Rosenblätter über der Trauergemeinde fallen. Vor der Kirche Don Bosco im Südosten der Stadt spielte eine Kapelle die Titelmelodie des Mafia-Films „Der Pate“.
„Es war, als hätte ich nicht Massimiliano geheiratet, sondern den ganzen Clan.“
Debora Cerreoni, Kronzeugin