Der Fall des Christian Pilnacek
Vom angesehenen Spitzenbeamten zum Angeklagten.
Christian Pilnacek hatte schon viele Zuschreibungen in seiner Karriere: Topjurist, Schattenminister, harter Brocken, Architekt der Strafrechtsreform. Seit Dienstag ist eine weitere hinzugekommen: Angeklagter.
Der mittlerweile vorläufig suspendierte Sektionsleiter im Justizministerium – er bekennt sich nicht schuldig – muss sich vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck erhob demnach Anklage wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses. Er soll Ermittlungen gegen eine Journalistin der Tageszeitung „Die Presse“verraten haben. Das Ganze ist ein Zufallsprodukt aus den Ermittlungen gegen Pilnacek wegen des Vorwurfs, er habe eine Hausdurchsuchung verraten. Das Vergehen der Verletzung des Amtsgeheimnisses ist mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht.
Der Topjurist, der seit 1992 die Karriereleiter im Justizministerium hinaufgeklettert war, galt einst als mächtigster Mann im Justizressort. In der Justiz genoss er aufgrund seiner fachlichen Expertise hohes Ansehen. Gern schickten ihn Minister in heiklen Causae vor, um etwa in TV-Interviews komplexe Strafrechtsfälle zu erklären. Pilnacek leitete jahrelang eine der heikelsten Abteilungen im Justizressort, die Strafrechtssektion. Auf seinem Schreibtisch landeten Korruptionsverfahren und spektakuläre Kriminalfälle.
In einem der spektakulärsten, dem Eurofighter-Verfahren, lieferte er sich offen einen Streit mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die Pilnacek anzeigte, nachdem er meinte, man solle einzelne Verfahrensstränge „derschlagen“. Nachdem der Spitzenbeamte unter Türkis-Blau zum Generalsekretär im Justizministerium aufgestiegen war, wurde er nach der Amtsübernahme durch Justizministerin Alma Zadić (Grüne) entmachtet. Sie entzog ihm die Leitung der Strafrechtssektion. Im Zuge der Ibiza-Causa wurde klar, dass sich der ÖVP-nahe Jurist zu gut mit der Volkspartei vernetzt hatte. So traf er zwei Beschuldigte in der CasinoAffäre, als er noch Herr über die Strafverfahren war. Im Februar 2021 wurden Handys bei Pilnacek und dem damaligen VfGH-Richter und Anwalt Helmut Brandstetter sichergestellt. Der Verdacht: Die beiden sollen eine Hausdurchsuchung beim Immobilieninvestor Michael Tojner verraten haben. Im Zuge der Ermittlungen kamen auch Chats zum Vorschein, die zeigten, dass der hohe Justizbeamte in den IbizaErmittlungen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) beraten wollte. Die Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwälte gegen Blümel bezeichnete er in einer Nachricht als „Putsch“. Gegen die Suspendierung wehrt sich Pilnacek und geht bis zum Verfassungsgerichtshof.