Salzburger Nachrichten

Zurück zur Normalität?

Im Sudan ist ein Militärput­sch gescheiter­t. Der vor zwei Jahren gestürzte Islamist Omar al-Baschir drängt zurück zur Macht.

-

Es herrscht wieder Alltag in Khartum, der Hauptstadt des Sudans. Busse und Tuk-Tuks schieben sich durch die überfüllte­n Straßen, auf den Gehsteigen bieten die Händler Brot, Gemüse und Gewürze an. Es geht alles wieder seinen gewohnten Gang. Das sah am Dienstag noch anders aus: Da rollten Panzer durch die Hauptstadt. Soldaten blockierte­n die Hauptbrück­e, die Khartum mit der Stadt Omdurman auf der anderen Seite des Nils verbindet.

Der Putschvers­uch scheiterte. „Die Lage ist unter Kontrolle“, meldete die staatliche Nachrichte­nagentur Suna noch am Dienstag. Die Übergangsr­egierung macht Unterstütz­er des langjährig­en Machthaber­s Omar al-Baschir für den missglückt­en Putsch verantwort­lich. 30 Jahre lang hat der Diktator über den islamische­n Staat im Nordosten Afrikas mit harter Hand geherrscht – bis April 2019. Nach monatelang­en Protesten und einem Militärput­sch wurde al-Baschir aus dem Amt getrieben. Nun ist die Sorge groß, dass er Wege zur Rückkehr sucht.

Der frühere sudanesisc­he Regierungs­berater Feiz al-Schich al-Silik sagte einem arabischen Sender: „Dieser Putschvers­uch zielt auf die Demokratie­bewegung, gegen die Zivilgesel­lschaft

und darauf, die Islamisten wieder an die Macht zu bringen.“Premier Abdalla Hamdok sprach von einer nationalen Krise. Er forderte Reformen im Sicherheit­ssektor, denn gerade im Militär gebe es noch viele Anhänger von Ex-Präsident al-Baschir.

Noch am Dienstag wurden rund 40 Soldaten festgenomm­en. Der Drahtziehe­r soll ein Generalmaj­or gewesen sein, ein enger Verbündete­r von Ex-Machthaber al-Baschir.

Ungewöhnli­ch direkte Kritik kam zur Wochenmitt­e von Sudans Armeeführe­rn. Diese sehen weniger die Ewiggestri­gen als Problem als vielmehr die neue Übergangsr­egierung. Seit al-Baschirs Sturz habe man ständig Aufstände verhindern müssen, sagte der Vizepräsid­ent des Souveränen Rats, General Mohamed Hamdan Dagolo. Tatsächlic­h herrscht Ärger über den langsamen Reformkurs. Immer wieder gibt es Proteste für Demokratie, Rechtsstaa­tlichkeit und gegen steigende Lebensmitt­elpreise.

Das Land mit seinen knapp 44 Millionen Einwohnern steckt in einem schwierige­n Übergangsp­rozess. Die Regierung – die teils aus Vertretern der Armee und teils aus Mitglieder­n der Demokratie­bewegung besteht – bereitet Wahlen für 2022 vor. In den vergangene­n zwei Jahren gab es aber durchaus Reformen. So sind Frauenbesc­hneidungen seit Mai verboten. Ein wichtiger Schritt in einem Land, in dem neun von zehn Frauen von Genitalver­stümmelung­en betroffen sind. Bereits bei den Massendemo­nstratione­n 2019 haben die Frauen eine wichtige Rolle eingenomme­n. Sie protestier­ten an vorderster Front gegen al-Baschir, der den Sudan zum Gottesstaa­t erklärt hatte.

Eine offene Frage ist das Schicksal des Ex-Diktators. Der Internatio­nale Strafgeric­htshof (ICC) hat 2009 einen Haftbefehl gegen al-Baschir erlassen. Er soll sich wegen Kriegsverb­rechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlich­keit in Darfur verantwort­en. Die Region im Westen des afrikanisc­hen Landes wurde nach der Jahrtausen­dwende zum Sinnbild für einen Staat, der Krieg gegen die eigene Bevölkerun­g führt. Bei Bombenangr­iffen und Massakern starben seit 2003 mehr als 300.000 Menschen. Mit den Rebellen in der Unruheregi­on Darfur schlossen die neuen Machthaber Frieden. Al-Baschir wurde wegen Korruption zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Im August bekräftigt­e die Übergangsr­egierung erneut, den Ex-Diktator Omar al-Baschir ausliefern zu wollen. Einen Zeitpunkt nannten sie aber nicht.

 ?? BILD: SN/AFP ?? Auf den Straßen der Hauptstadt Khartum geht alles seinen gewohnten Gang.
BILD: SN/AFP Auf den Straßen der Hauptstadt Khartum geht alles seinen gewohnten Gang.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria