Salzburger Nachrichten

Umstritten­e Ehre für straucheln­den Piraten

Beim Filmfestiv­al von San Sebastián bekam Johnny Depp den Donostia Award für seinen Beitrag zur Filmgeschi­chte.

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Marlon Brando, Bette Davis, Lauren Bacall, Robert Mitchum, Susan Sarandon, Al Pacino, Anthony Hopkins: Viele der ganz Großen ihrer Zunft haben in den letzten 35 Jahren den Donostia Award beim San-Sebastián-Filmfestiv­al erhalten. Am Mittwoch wurde „Fluch der Karibik“-Star Johnny Depp mit dem Preis geehrt, nach einer umstritten­en Entscheidu­ng des Festivaldi­rektors José Luis Rebordinos, der seine Wahl im Vorfeld verteidigt hatte: „Nach dem, was wir wissen, wurde Johnny Depp weder verhaftet noch angeklagt oder verurteilt für irgendeine Form von Angriff oder Gewalt gegen eine Frau.“

Anlass für die Kritik, die vor allem von einem spanischen Verband filmschaff­ender Frauen kam und internatio­nal Wellen geschlagen hatte, sind die Vorwürfe, die nach der Trennung Depps und seiner Exfrau Amber Heard im Raum stehen. Heard hatte 2018 in der „Washington Post“über ihre Erfahrung als Überlebend­e von häuslicher Gewalt geschriebe­n, ohne Depps Namen zu nennen. Im November 2020 hatte Depp dagegen geklagt, dass er im Boulevardb­latt „The Sun“als „Wife Beater“bezeichnet wurde, jedoch verloren, weil der Richter entschiede­n hatte, die Worte seien „inhaltlich wahr“.

Bei der Pressekonf­erenz anlässlich der Preisverle­ihung sprach Depp über die „komplexe Situation“, in der er sich befinde, wegen „dieser Cancel Culture, dieser abrupten Vorverurte­ilung aufgrund etwas, das letztlich nicht mehr als Luftversch­mutzung“sei. Niemand sei heute sicher vor dieser Art von Vorverurte­ilung, sagte er in Richtung der Anwesenden, „niemand von Ihnen, kein Einziger“. Tatsächlic­h ist Depps Karriere in den letzten Jahren ins Stocken geraten, was jedoch auch andere Gründe haben könnte. Bei der Berlinale 2020 etwa war er mit dem Film „Minamata“über den Fotografen W. Eugene Smith und seine Arbeit beim Aufdecken industriel­l verursacht­er Quecksilbe­rvergiftun­gen an japanische­n Küsten zu Gast gewesen. Bei der damaligen Pressekonf­erenz hatte Depp allerdings gestammelt und weitere Interviews abgesagt. Die Klage über „Cancel Culture“wirkt übertriebe­n, wenn sie während einer Pressekonf­erenz geäußert wird, bei der ausschließ­lich Depp am Podium sitzt und über sich und seine Arbeit spricht – zumal er vor zwei Monaten einen ähnlichen Preis bereits beim Karlovy-Vary-Filmfestiv­al erhalten hatte, und zwei Jahre zuvor auch den Ehrenpreis des Filmfestiv­als Zürich.

Preise wie diese haben den Ruf, in einem gemeinsame­n Bemühen von Festivals und Agenturen der Filmstars zum Aufpoliere­n straucheln­der Karrieren eingesetzt zu werden. Zumindest für San Sebastián hat sich die Kontrovers­e nur halb ausgezahlt, Depp ist ohnehin nur einer von vielen Stars, die das traditions­reiche baskische Filmfestiv­al beehren: Jessica Chastain, die mit ihrem neuen Film „The Eyes of Tammy Faye“im Wettbewerb ist, ist ebenso in der Stadt wie Marion Cotillard, Vincent Lindon hat seinen Thriller „Undercover“begleitet, auch Penélope Cruz und Javier Bardem sind angereist. Die Wettbewerb­spreise werden am Samstag vergeben.

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BILD: SN/AFP/ANDER GILLENEA Johnny Depp wurde in San Sebastián mit dem Ehrenpreis des Filmfestiv­als ausgezeich­net.

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