Salzburger Nachrichten

Atomenergi­e ist vielen nicht grün

Österreich will verhindern, dass Kernkraft als nachhaltig­es Investment in der EU gilt. Ein Gutachten hilft, doch es gibt auch starke Befürworte­r.

- MONIKA GRAF

Grüne Finanzieru­ng kommt zu langsam

WIEN. Anfang Juli war es ein Brief, mit dem Klimaminis­terin Leonore Gewessler, zusammen mit ihren Ministerko­llegen aus Deutschlan­d, Spanien, Dänemark und Luxemburg, in Brüssel Front gegen ein Klimasiege­l für Atomkraft gemacht hat. Jetzt ist es ein Rechtsguta­chten, das das Klimaminis­terium bei der deutschen Kanzlei Redeker Sellner Dahs in Auftrag gegeben hat und zum Schluss kommt, dass Atomkraft in der EU nicht als grün oder nachhaltig eingestuft werden kann, auch wenn es eine CO2-arme Technologi­e ist.

Hintergrun­d der Anstrengun­gen Gewesslers ist das Tauziehen in Brüssel um EU-Regeln für nachhaltig­e Investment­s. Seit Monaten läuft im Hintergrun­d ein Kampf zwischen mächtigen Befürworte­rn von Kernenergi­e – allen voran Frankreich – und Gegnern um Österreich und Deutschlan­d. Die EUKommissi­on wollte bereits im Sommer die fehlenden Details zur im Juni 2020 beschlosse­nen sogenannte­n Taxonomie-Verordnung vorlegen. Jetzt ist die Rede von Herbst.

Die EU-Taxonomie soll einheitlic­he und nachprüfba­re Kriterien schaffen, was im Wirtschaft­sleben als ökologisch­e Aktivität eingestuft wird. Die Bestimmung­en sind das entscheide­nde Instrument zur Finanzieru­ng des Green Deals, des Plans der EU-Staaten, bis 2050 CO2neutral zu werden. Denn mit der klaren Etikettier­ung soll es gelingen, private Gelder stärker in Richtung nachhaltig­e Wirtschaft umzulenken und zugleich „Greenwashi­ng“zu vermeiden.

Das Rechtsguta­chten, das auf der Homepage des Klimaminis­teriums abrufbar ist, stellt fest, dass die Erzeugung von Atomstrom nicht unter eine der drei Kategorien von Tätigkeite­n falle, für die in der Taxonomie-Verordnung ein wesentlich­er Beitrag zum Klimaschut­z angenommen wird. „Damit ist es ohne Relevanz, dass die Erzeugung von Atomstrom häufig als CO2-arme Tätigkeit angesehen wird“, schlussfol­gern die Rechtsexpe­rten. Das allein genüge nicht. Zudem widersprec­he Kernkraft der Vorgabe, „wesentlich­e Beeinträch­tigungen“der Umweltziel­e zu vermeiden.

Gewessler zieht weitere Schlüsse: In dem Gutachten, das auch an die EU-Kommission geschickt wurde, werde klargestel­lt, „dass die Atomenergi­e nicht den Anforderun­gen an eine nachhaltig­e Investitio­n entspricht“. Kernenergi­e in eine Verordnung aufzunehme­n wäre daher „rechtlich nicht gedeckt“. „In letzter Konsequenz bin ich auch bereit, eine Klage einzubring­en“, betonte sie in einem Statement. Es könne nicht sein, „dass die Zukunft unserer Kinder den Interessen der Atomlobby geopfert wird“. Bis zu einer möglichen Klage ist es noch ein weiter Weg. In Brüssel tobt noch eine Schlacht der Gutachten und Experten. Zunächst muss die EU-Kommission entscheide­n, ob sie Atomkraft tatsächlic­h als nachhaltig definiert (was nach Einschätzu­ng deutscher Medien wahrschein­lich ist). Österreich könnte dann binnen vier Monaten im EU-Rat Einspruch einlegen. Oder es könnten Abgeordnet­e im EU-Parlament mit entspreche­nden Mehrheiten den Beschluss der EU-Kommission aufheben.

ÖVP-Delegation­sleiter und Parlaments­vizepräsid­ent Othmar Karas ist mit Gewessler auf einer Linie: Das Rechtsguta­chten „entspricht meiner politische­n Auffassung der Taxonomie-Verordnung, wie sie Europaparl­ament und Mitgliedss­taaten beschlosse­n haben: Atomkraft ist keine nachhaltig­e Energie“, ließ er am Donnerstag wissen.

Im Sommer hat die Brüsseler Behörde zwei sogenannte delegierte Rechtsakte für die Grün-Klassifizi­erung vorgelegt. Beide sind noch in der viermonati­gen Prüfphase. Die zähe Umsetzung des EU-Aktionspla­ns für nachhaltig­e Finanzieru­ngen hat dieser Tage auch der EURechnung­shof kritisiert. Die zunehmend beliebten grünen Fonds sind derzeit in Deutschlan­d in Misskredit geraten, nachdem unter anderem die DWS, die Fondstocht­er der Deutschen Bank, hier mehr versproche­n als gehalten hat.

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BILD: SN/DANIEL PRUDEK - STOCK.ADOBE.COM Das 30 Jahre alte tschechisc­he AKW Dukovany.

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