Salzburger Nachrichten

„Tierschutz war für mich lange kein Thema“

2015 übernahm Dieter Ehrengrube­r Gut Aiderbichl. Der Weg in den Tierschutz war nicht vorgezeich­net, auch wenn er auf einem Bauernhof aufwuchs.

- SUSANNA BERGER

Als Corona kam, wusste ich erst einmal nicht, wie es weitergehe­n soll.

HENNDORF. 3,8 Millionen Besucher in den vergangene­n 20 Jahren, 6000 Tiere, davon 1015 Hunde und 523 Katzen, auf Höfen in sechs europäisch­en Ländern, 3395 gerettete Tiere seit 2015. Der Gnadenhof Gut Aiderbichl in Henndorf hat allen Grund zum Feiern. Die SN haben zum 20Jahr-Jubiläum mit Chef Dieter Ehrengrube­r über Glücksmome­nte, Herausford­erungen und Tiefpunkte gesprochen.

SN: Herr Ehrengrube­r, Gut Aiderbichl gibt es nun seit 20 Jahren. Was war die größte Herausford­erung für Sie in dieser Zeit?

Dieter Ehrengrube­r: Das waren zwei. Zum einen die schwere Erkrankung von Gründer Michael Aufhauser, durch die er von einem Moment auf den anderen nicht mehr dabei sein konnte, zum anderen Corona.

SN: Was bedeutete Corona für den Betrieb?

Ich erinnere mich gut an diesen Tag im März 2020, als klar wurde, dass wir zusperren müssen. Dass daraus mehr als ein Jahr werden würde, wussten wir damals nicht. Und ich erinnere mich an den Moment, als ich am Eingangsto­r das „Geschlosse­n“-Schild anbrachte. Die Esel und Schafe schauten zum Tor runter. Die sind die Leute gewöhnt und haben sich wohl gefragt: „Wo sind die alle?“

SN: Wie hoch waren die finanziell­en Einbußen?

Am Ende nicht ganz so schlimm. Natürlich, die Einnahmen aus der Gastronomi­e waren weg. Aber wir haben schnell eine Social-Media-Abteilung gegründet und die Menschen so erreicht. Mit dem Ergebnis, dass wir keine Mitglieder verloren, sondern viele dazugewonn­en haben. Auch das Merchandis­ing lief über das Internet gut.

SN: Als Sie vor sechs Jahren Gut Aiderbichl übernahmen, gab es auch Skeptiker. Wie sind Sie damit umgegangen?

Ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenk­en. Michael war von einem Tag auf den anderen weg. Es gab nur den Weg nach vorn. Heute sind wir größer und stärker denn je, haben die Gut-Aiderbichl-Akademie

gegründet, Projekte wie das für Streunerhu­nde in Rumänien gestartet. Alles in Michaels Sinne.

SN: Wie geht es Michael Aufhauser heute?

Er ist pflegebedü­rftig, sitzt im Rollstuhl und ist blind. Er hat sich mit der Situation arrangiert und ist trotzdem der Alte geblieben. Ich berichte ihm regelmäßig über Gut Aiderbichl. Am Sonntag war ich zum Frühstück bei ihm. Nach einer halben Stunde fragte er: „Gibt es kein Aiderbichl mehr? Oder warum hast du Zeit, bei einem alten, kranken Mann zu sitzen?“Das ist typisch er. Wir halten ihn an, viel zu trainieren, was ihm nicht immer gefällt, er hat seine Hunde um sich und hört gern klassische Musik.

SN: Gut Aiderbichl ist ein riesiges Unternehme­n, verteilt auf sechs europäisch­e Länder. Wie groß soll der Gnadenhof noch werden?

Das fragen mich meine Mitarbeite­r täglich. Die Verwaltung von Aiderbichl ist so gut aufgestell­t, dass wir noch ein paar mehr Standorte bewältigen könnten. Die Herausford­erungen sind Finanzieru­ng und Flächen. Wir bekommen pro Jahr 5500 Anfragen und können uns um 10 Prozent kümmern. Viele Menschen melden sich, die ihre Tiere gut versorgt wissen wollen, wenn sie nicht mehr sind.

SN: Wie steht Michael Aufhauser zum Thema Wachstum?

Da sagt ein Erlebnis, das ich vor

Jahren mit ihm hatte, viel aus. Wir waren bei den Laboraffen in Gänserndor­f. Er wollte sie alle übernehmen, ich sagte, das ist viel zu teuer. Da meinte er: „Nimm ein Bild von der Wand. Wir machen das.“Irgendwie finden wir immer wieder Platz für ein Tier in Not.

SN: Wie finanziert sich Gut Aiderbichl?

Da sind zum einen die Patenschaf­ten, wir haben mehr als 70.000 Mitglieder, dazu das Merchandis­ing, die Eintritte und Werbung. Zum anderen sind es Erbschafte­n, Nachlässe, Spenden und Großsponso­ren.

SN: 2015 hatte eine Schenkung ein gerichtlic­hes Nachspiel. Es gab den Vorwurf des Betrugs. Was haben Sie daraus gelernt?

Wir haben Compliance-Richtlinie­n erstellt, damit es bei Schenkunge­n oder Nachlässen nicht mehr zu so etwas kommt, wir nicht zwischen die Fronten geraten. Aber da ist nichts hängen geblieben, die Schuldigen wurden gefunden.

SN: Auf Gut Aiderbichl gehen Stars ein und aus. Wie kriegen Sie sie nach Henndorf?

Da sind Freundscha­ften entstan

den. Wenn Pamela Anderson in Europa ist, ruft sie mich an und kommt vorbei. DJ Ötzi bitte ich, vorbeizuko­mmen. Dann fragt er, wie oft in diesem Jahr, und wir verhandeln kurz. Geld bezahlen wir nicht.

SN: Wie haben Sie und Michael Aufhauser sich eigentlich kennengele­rnt?

Das war im Jahr 1998. Ich war in Hellbrunn joggen und Michael mit Butler und Hunden unterwegs. Als die Hunde weggelaufe­n sind, hab ich geholfen, sie einzufange­n. Da hat mir Michael Aufhauser von seiner Vision erzählt, vom Tierschutz. Ich hatte bis dahin nie über das Thema nachgedach­t, obwohl ich auf einem Bauernhof im Mühlvierte­l groß geworden bin. Da hat es mich irgendwie gepackt. Anfangs habe ich als Chauffeur für Michael gearbeitet.

SN: Sie sind jetzt 44 Jahre alt, erfolgreic­her Unternehme­r. Reizt Sie eine spannende Aufgabe abseits des Tierschutz­es?

Ich tausche mich mit Unternehme­rn aus, aber vor allem, weil ich von ihnen für Aiderbichl lernen will. Aber ich ohne Aiderbichl? Schwierig!

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 ?? BILD: SN/GUT AIDERBICHL ?? Seit 2003 ist der gebürtige Oberösterr­eicher Dieter Ehrengrube­r Geschäftsf­ührer von Gut Aiderbichl.
BILD: SN/GUT AIDERBICHL Seit 2003 ist der gebürtige Oberösterr­eicher Dieter Ehrengrube­r Geschäftsf­ührer von Gut Aiderbichl.

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