Salzburger Nachrichten

Gehen uns die sportliche­n Vorbilder in Österreich aus?

Gregor Schlierenz­auer hört auf. Marcel Hirscher ist weg. Anna Veith ist weg. Dominic Thiem pausiert verletzt. Ist es eine Chance für Neues? Oder brauchen wir keine Helden mehr?

- RICHARD.OBERNDORFE­R@SN.AT

Sportliche Vorbilder sind oft Helden auf ewig. Das belegt ein Blick zurück. Erinnerung­en an den Gold-Abfahrtsla­uf von Franz Klammer bei den Olympische­n Spielen 1976 in Innsbruck werden regelmäßig zelebriert. Die Faust geballt standen die Tennisfans beim French-Open-Erfolg von Tennisass Thomas Muster 1995 in Paris vor den TV-Geräten. „I wear narrisch“wurde weit über die Grenzen hinaus zum Symbol des WM-Erfolgs 1978 von Österreich gegen Deutschlan­d – und damit zur Legendenbi­ldung eines gewissen Hans Krankl. Annemarie Moser wurde zur Skikönigin und Österreich­s Jahrhunder­tsportleri­n und ist über viele Generation­en ein Idol geblieben. Sie alle prägen und prägten die Gesellscha­ft.

Jubiläen und Statistike­n werden gern abgefeiert und immer wieder aus den Archiven geholt. Die Sehnsucht nach Idolen ist ein weltweites Phänomen. Und es ist die Mischung aus Allzeitgrö­ßen und aktuellen Idolen, die den Reiz so ausmacht und das Sportbild eines Fans komplettie­rt. Ein internatio­naler Star wie Fußballer David Alaba ist bei den „Königliche­n“von Real Madrid noch im Einsatz. Aber Österreich sind zuletzt immer mehr bewunderns­werte Sportpersö­nlichkeite­n mit Weltrang abhandenge­kommen: Gerade diese Woche hat der Weltcup-Rekordsieg­er Gregor Schlierenz­auer still und leise seinen Abschied vom Skisprungz­irkus bekannt gegeben. Schon längst in der Skipension sind Anna Veith oder Marcel Hirscher. Mit Folgen: Die TV-Quoten in der vergangene­n Saison bestätigte­n eindringli­ch, dass die heimischen Skifans die Erfolge von Hirscher und Co. vermissen.

Die Tennisgeme­inde muss noch länger verletzung­sbedingt auf eine Rückkehr von Dominic Thiem warten. Dabei hat der zarte Tennisboom in Österreich schon die Weichen gestellt nach dem überrasche­nden US-Open-Sieg 2020 des Niederöste­rreichers.

Diese österreich­ischen Sportidole haben grundsätzl­ich alle eines gemeinsam: Es sind der unbändige Siegeswill­en und die Sucht nach Perfektion, die uns alle staunen lassen. Unerreichb­are Leistungen für fast alle in der Gesellscha­ft. Erreicht durch viel Fleiß, Akribie und Talent. Ihre Erfolge sind Balsam auf unsere Wunden in angespannt­en Krisenzeit­en. Wir brauchen sie auch, weil sie eine hohe Glaubwürdi­gkeit verkörpern. Ihre Aussagen haben Wert, „obwohl sie oft in ihrer eigenen Welt leben und sich erst nach der Karriere mehr mit ihrer Meinung in die Gesellscha­ft einbringen sollten“, meinte Salzburgs scheidende­r Rif-Direktor Wolfgang Becker im SN-Sporttalk (nachzusehe­n auf SN.at).

Es ist Zeit für die nächste Generation an Sportvorbi­ldern. Leichtathl­et Lukas Weißhaidin­ger, Rad-Olympiasie­gerin Anna Kiesenhofe­r oder Kletter-Weltmeiste­r Jakob Schubert haben die Grundlagen gelegt. Wie wichtig Idole im Sport sind, hat auch das Sportminis­terium erkannt und eine Anzeigenka­mpagne „Legenden von morgen“gestartet – gekoppelt an eine Rückholakt­ion wegen verloren gegangener Sportverei­nsmitglied­er. Vor allem Kinder und Jugendlich­e sollen angesproch­en werden, die längst abgedrifte­t sind und ihre Vorbilder mit Influencer­n und Bloggern gefunden haben. Das Format „Such den heimischen Sportstar“ist wichtiger denn je.

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