Dammbruch: Suche nach Gerechtigkeit
Angehörige von Opfern eines Dammbruchs in Brasilien klagen nun das Unternehmen TÜV Süd in München, um Entschädigungen zu erreichen.
Als die Hoffnung noch nicht gestorben war und Gustavo Barroso weiter die Illusion hegte, dass seine Schwester Izabela bei dem verheerenden Dammbruch von Brumadinho überlebt hatte, traf er seinen Vater eines Tages weinend zu Hause am Boden an. Dieser war verzweifelt angesichts der Ungewissheit. „Wenn ich daran denke, gibt mir das die Kraft für das, was wir machen“, sagt Barroso zur Deutschen Presse-Agentur. Gemeinsam mit anderen klagt er nun gegen das Prüfunternehmen TÜV Süd.
Am 25. Jänner 2019 brach der Damm an der Mine Córrego do Feijão, eine Schlammlawine ergoss sich über die hügelige Landschaft des brasilianischen Bundesstaates Minas Gerais. Das brasilianische Tochterunternehmen des TÜV Süd hatte die Rückhaltebecken kurz vor dem Dammbruch geprüft und für sicher befunden. Die Schlammlawine wälzte sich über Teile der Mine und benachbarte Siedlungen, riss Gerätschaften und Häuser, Tiere und Menschen mit. Begrub auch Izabela Barroso, Ingenieurin bei Vale, die wie viele der mindestens 260 Todesopfer in der Kantine Mittagspause machte, unter sich. Weitere zehn Menschen gelten noch immer als vermisst. Der Minenbetreiber Vale ist eines der größten Bergbauunternehmen der Welt.
Um beim Auftakt im Zivilprozess gegen das deutsche Prüfunternehmen mit Sitz in München am dortigen Landgericht am 28. September dabei zu sein, wird Gustavo Barroso mit seinem älteren Bruder und Izabelas Witwer nach Deutschland fliegen. Das schulde er seiner Schwester. „Wir wollen der Welt zeigen, dass das kein Unfall oder Unglück, sondern ein Verbrechen war“, sagt Gustavo Barroso. Seine Familie, der Witwer seiner Schwester Izabela und die Gemeinde Brumadinho sind die Kläger in dem Musterverfahren. „Nach anwendbarem brasilianischen Umweltrecht haften alle direkt oder indirekt an einer Umweltverschmutzung Beteiligten und daher auch die TÜV Süd AG“, erklärt Anwalt Jan Erik Spangenberg aus Hamburg. Ziel sei, dass der TÜV Süd sich der Verantwortung stelle und in Verhandlungen über die Entschädigung aller Opfer eintrete.
TÜV Süd erklärt, es sei ein schreckliches Unglück gewesen: „Wir sind jedoch überzeugt, dass TÜV Süd keine rechtliche Verantwortung für den Dammbruch trägt. Die Haftung des Dammbetreibers wurde in Brasilien bereits festgestellt.“Nach Meinung der Staatsanwaltschaft von Minas Gerais wurde das Zertifikat ausgestellt, obwohl den Prüfern der schlechte Zustand der Anlage und das Risiko bewusst waren. Ein verantwortlicher Prüfer hatte ausgesagt, Vale-Vertreter hätten ihn unter Druck gesetzt.