Völlig abgehoben
Mit dem Hubschrauber in den Urlaub, per Rakete ins Weltall. Die Reichen der Welt sind die größten Klimasünder. Ihr CO2-Fußabdruck ist gigantisch.
Die Crew der „Dragon“Raumkapsel war höchst euphorisch, nachdem sie vergangenen Samstag vom Weltraumausflug zurückgekehrt war. Eine „Wahnsinnsreise“sei es gewesen, meinte der USMilliardär Jared Isaacman.
Und der Leiter der Mission verkündete, das „zweite Weltraumzeitalter“habe begonnen.
Während in Florida Weltraumtouristiker das große Geschäft wittern, planen hierzulande Hoteliers, ihre betuchten Gäste per Hubschrauber anreisen zu lassen, was dieser Tage in Großarl für großen Wirbel sorgt.
Was die Begründer des Weltraumtourismus rund um Jeff Bezos (Bild oben) und Elon Musk ebenso wenig zu kümmern scheint wie die Hubschrauber-Touris in den Bergen, ist deren eigene CO2-Bilanz. Tatsächlich ist es das zweifelhafte Verdienst der Reichen und Superreichen, ganz massiv zum Anstieg der Treibhausgasemissionen beizutragen.
Nach Schätzungen von Experten sind die reichsten zehn Prozent der Menschheit für mehr als die Hälfte der weltweiten, konsumbasierten CO2-Emissionen (Mobilität, Konsum, Heizen etc.) verantwortlich. Dabei gilt: Je reicher, desto klimaschädlicher. So entfallen laut Entwicklungsorganisation Oxfam auf das reichste Prozent der Menschheit 15 Prozent der CO2-Emissionen. Diese Gruppe setzt demnach mehr als doppelt so viel CO2 frei wie die ärmere Hälfte der Menschheit (7 Prozent).
Ilona Otto, Professorin für Gesellschaftliche Auswirkungen des Klimawandels am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Universität Graz, hat den Lebensstil einzelner Millionäre und deren CO2-Bilanz untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die Millionäre Pro-Kopf-Emissionen zwischen 73 und 177 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr verursachten. Zum Vergleich: Wenn man sämtliche in Österreich anfallenden CO2-Emissionen als Grundlage nimmt, ergibt das einen Pro-Kopf-Fußabdruck von rund neun Tonnen.
Der Fußabdruck der Multimilliardäre, die mit Yachten und Privatflugzeugen um die Welt jetteten, sei aber noch um ein Vielfaches höher als jener „gewöhnlicher“Millionäre, sagt Otto. „Die Superreichen haben oft Emissionen von Tausenden Tonnen pro Jahr.“Die Milliardäre seien im Regelfall sehr mobil. „Sie haben Villen in verschiedenen Kontinenten und fliegen meist mit privaten Jets.“So werden die jährlichen CO2-Emissionen des russischen Oligarchen Roman Abramowitsch auf mehr als 30.000 Tonnen pro Jahr geschätzt, bei Bill Gates sollen es immerhin über 7000 Tonnen sein.
Die Wahl des Verkehrsmittels spielt beim Treibhausgasausstoß eine bedeutende Rolle. Am umweltfreundlichsten ist die Bahn: Ein Passagier im Zug verursacht laut Berechnungen des Umweltbundesamts im Schnitt knapp 13 Gramm CO2-Äquivalente pro Personenkilometer. Nimmt derselbe Passagier stattdessen ein Auto, steigt der CO2-Ausstoß auf das 17-Fache (rund 210 Gramm), beim Flugzeug auf das 31-Fache (knapp 400 Gramm). Bei einem Hubschrauberflug fallen, je nachdem wie viele Insassen an Bord sind, zwischen 290 und rund 900 Gramm an. Beim Weltraumflug kommt zu den Kohlendioxidemissionen, die das Zigfache eines Langstreckenflugs betragen, noch die Schädigung der Ozonschicht, deren Folgen noch gar nicht absehbar sind.
Aber warum müssen die Reichen eigentlich per Rakete ins Weltall starten, mit Yachten über die Meere schippern und per Hubschrauber in die Berge fliegen?
Im Prinzip sei dieses Verhalten ähnlich jenem von jungen GTI-Fans bei den Autotreffen am Wörthersee, sagt Johannes Wancata, Leiter der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie an der Meduni Wien. „Alle versuchen, das Maximum an intensivem Erlebnis herauszuholen.“Manche könnten sich eben nur den GTI leisten, andere einen Weltraumflug.
Aber könnte man nicht auch bei der Achterbahnfahrt im Wiener Prater genug erleben? „Ja“, sagt Wancata. Aber manchmal gehe es auch darum, zu zeigen, was man hat. Da gehe es auch um das „Gehabe“. Bei Männern sei dieses Bedürfnis oft ausgeprägter als bei Frauen.
Ähnlich sieht es Neuropsychologe Claus Lamm von der Universität Wien. Während die ganz Reichen eben ins Weltall starteten, würden die weniger Reichen in Richtung Dominikanische Republik abheben. Die Aussicht auf Lustgewinn sei oft stärker als die Sorge um das Klima: „Der Mensch ist eben kein rein rationales Wesen, er ist auch von Emotionen getrieben und von anderen Einflussfaktoren.“Dazu komme die „mentale Buchführung“– nach dem Motto: Ich habe jetzt Solarpaneele auf dem Dach – deshalb darf ich mir einen Überseeflug gönnen. Manche Milliardäre hätten wohl auch den Kontakt zur Realität verloren, sagt Lamm: „Wenn ich im Jahr etliche Millionen zur Verfügung habe, mir einen Weltraumflug leisten kann und von Leuten umgeben bin, die das super finden, werde ich das machen wollen, selbst wenn ich weiß, dass es negative Effekte auf das Klima haben wird.“In diesen Kreisen würden sich Wetteifern und Zurschaustellen des eigenen Reichtums schnell aufschaukeln. „Da reicht der Mercedes in der Garage nicht mehr, es muss dann der Bentley sein oder der Rolls-Royce.“
Doch der Lebensstil der Reichen sorgt angesichts der drohenden Klimakatastrophe zunehmend für Unmut. Den „Konsumrausch einer reichen Minderheit“müssten vor allem die Menschen in ärmeren Regionen bezahlen, die von Hitze und Dürre besonders betroffen seien, kritisieren NGOs wie Oxfam. Der von den Weltraumtouristen offen zur Schau gestellte „Konsumrausch“wirft gerade heuer, angesichts zahlreicher klimabedingter Umweltkatastrophen, neue Fragen auf: Warum soll der Durchschnittsbürger auf das Auto verzichten und auf das Rad umsteigen, wenn sich zugleich die Milliardäre im Weltall vergnügen?
Diese Frage sei zwar verständlich, helfe aber nicht weiter, sagt dazu Michael Rosenberger, Professor für Moraltheologie an der Katholischen Privatuniversität Linz. „Wenn wir so fragen, haben wir den Kampf gegen den Klimawandel schon verloren. Es wird immer irgendwo einen Missstand geben, der mir als Entschuldigung dienen kann, dass ich nichts tue.“Jeder sollte bei sich selbst anfangen – und vom Gedanken ausgehen: „Ich versuche, meinen Beitrag zu leisten, und hoffe, dass die meisten anderen das auch tun.“Freilich sollte sich auch im Steuersystem Grundlegendes ändern, betont der Moraltheologe. „Wenn das reichste Prozent viel mehr von seinem Geld an den Staat oder die Gesellschaft abgeben müsste, dann könnte es sich den Weltraumflug nicht mehr leisten.“