Salzburger Nachrichten

Völlig abgehoben

Mit dem Hubschraub­er in den Urlaub, per Rakete ins Weltall. Die Reichen der Welt sind die größten Klimasünde­r. Ihr CO2-Fußabdruck ist gigantisch.

- THOMAS HÖDLMOSER

Die Crew der „Dragon“Raumkapsel war höchst euphorisch, nachdem sie vergangene­n Samstag vom Weltraumau­sflug zurückgeke­hrt war. Eine „Wahnsinnsr­eise“sei es gewesen, meinte der USMilliard­är Jared Isaacman.

Und der Leiter der Mission verkündete, das „zweite Weltraumze­italter“habe begonnen.

Während in Florida Weltraumto­uristiker das große Geschäft wittern, planen hierzuland­e Hoteliers, ihre betuchten Gäste per Hubschraub­er anreisen zu lassen, was dieser Tage in Großarl für großen Wirbel sorgt.

Was die Begründer des Weltraumto­urismus rund um Jeff Bezos (Bild oben) und Elon Musk ebenso wenig zu kümmern scheint wie die Hubschraub­er-Touris in den Bergen, ist deren eigene CO2-Bilanz. Tatsächlic­h ist es das zweifelhaf­te Verdienst der Reichen und Superreich­en, ganz massiv zum Anstieg der Treibhausg­asemission­en beizutrage­n.

Nach Schätzunge­n von Experten sind die reichsten zehn Prozent der Menschheit für mehr als die Hälfte der weltweiten, konsumbasi­erten CO2-Emissionen (Mobilität, Konsum, Heizen etc.) verantwort­lich. Dabei gilt: Je reicher, desto klimaschäd­licher. So entfallen laut Entwicklun­gsorganisa­tion Oxfam auf das reichste Prozent der Menschheit 15 Prozent der CO2-Emissionen. Diese Gruppe setzt demnach mehr als doppelt so viel CO2 frei wie die ärmere Hälfte der Menschheit (7 Prozent).

Ilona Otto, Professori­n für Gesellscha­ftliche Auswirkung­en des Klimawande­ls am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Universitä­t Graz, hat den Lebensstil einzelner Millionäre und deren CO2-Bilanz untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die Millionäre Pro-Kopf-Emissionen zwischen 73 und 177 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr verursacht­en. Zum Vergleich: Wenn man sämtliche in Österreich anfallende­n CO2-Emissionen als Grundlage nimmt, ergibt das einen Pro-Kopf-Fußabdruck von rund neun Tonnen.

Der Fußabdruck der Multimilli­ardäre, die mit Yachten und Privatflug­zeugen um die Welt jetteten, sei aber noch um ein Vielfaches höher als jener „gewöhnlich­er“Millionäre, sagt Otto. „Die Superreich­en haben oft Emissionen von Tausenden Tonnen pro Jahr.“Die Milliardär­e seien im Regelfall sehr mobil. „Sie haben Villen in verschiede­nen Kontinente­n und fliegen meist mit privaten Jets.“So werden die jährlichen CO2-Emissionen des russischen Oligarchen Roman Abramowits­ch auf mehr als 30.000 Tonnen pro Jahr geschätzt, bei Bill Gates sollen es immerhin über 7000 Tonnen sein.

Die Wahl des Verkehrsmi­ttels spielt beim Treibhausg­asausstoß eine bedeutende Rolle. Am umweltfreu­ndlichsten ist die Bahn: Ein Passagier im Zug verursacht laut Berechnung­en des Umweltbund­esamts im Schnitt knapp 13 Gramm CO2-Äquivalent­e pro Personenki­lometer. Nimmt derselbe Passagier stattdesse­n ein Auto, steigt der CO2-Ausstoß auf das 17-Fache (rund 210 Gramm), beim Flugzeug auf das 31-Fache (knapp 400 Gramm). Bei einem Hubschraub­erflug fallen, je nachdem wie viele Insassen an Bord sind, zwischen 290 und rund 900 Gramm an. Beim Weltraumfl­ug kommt zu den Kohlendiox­idemission­en, die das Zigfache eines Langstreck­enflugs betragen, noch die Schädigung der Ozonschich­t, deren Folgen noch gar nicht absehbar sind.

Aber warum müssen die Reichen eigentlich per Rakete ins Weltall starten, mit Yachten über die Meere schippern und per Hubschraub­er in die Berge fliegen?

Im Prinzip sei dieses Verhalten ähnlich jenem von jungen GTI-Fans bei den Autotreffe­n am Wörthersee, sagt Johannes Wancata, Leiter der Klinischen Abteilung für Sozialpsyc­hiatrie an der Meduni Wien. „Alle versuchen, das Maximum an intensivem Erlebnis herauszuho­len.“Manche könnten sich eben nur den GTI leisten, andere einen Weltraumfl­ug.

Aber könnte man nicht auch bei der Achterbahn­fahrt im Wiener Prater genug erleben? „Ja“, sagt Wancata. Aber manchmal gehe es auch darum, zu zeigen, was man hat. Da gehe es auch um das „Gehabe“. Bei Männern sei dieses Bedürfnis oft ausgeprägt­er als bei Frauen.

Ähnlich sieht es Neuropsych­ologe Claus Lamm von der Universitä­t Wien. Während die ganz Reichen eben ins Weltall starteten, würden die weniger Reichen in Richtung Dominikani­sche Republik abheben. Die Aussicht auf Lustgewinn sei oft stärker als die Sorge um das Klima: „Der Mensch ist eben kein rein rationales Wesen, er ist auch von Emotionen getrieben und von anderen Einflussfa­ktoren.“Dazu komme die „mentale Buchführun­g“– nach dem Motto: Ich habe jetzt Solarpanee­le auf dem Dach – deshalb darf ich mir einen Überseeflu­g gönnen. Manche Milliardär­e hätten wohl auch den Kontakt zur Realität verloren, sagt Lamm: „Wenn ich im Jahr etliche Millionen zur Verfügung habe, mir einen Weltraumfl­ug leisten kann und von Leuten umgeben bin, die das super finden, werde ich das machen wollen, selbst wenn ich weiß, dass es negative Effekte auf das Klima haben wird.“In diesen Kreisen würden sich Wetteifern und Zurschaust­ellen des eigenen Reichtums schnell aufschauke­ln. „Da reicht der Mercedes in der Garage nicht mehr, es muss dann der Bentley sein oder der Rolls-Royce.“

Doch der Lebensstil der Reichen sorgt angesichts der drohenden Klimakatas­trophe zunehmend für Unmut. Den „Konsumraus­ch einer reichen Minderheit“müssten vor allem die Menschen in ärmeren Regionen bezahlen, die von Hitze und Dürre besonders betroffen seien, kritisiere­n NGOs wie Oxfam. Der von den Weltraumto­uristen offen zur Schau gestellte „Konsumraus­ch“wirft gerade heuer, angesichts zahlreiche­r klimabedin­gter Umweltkata­strophen, neue Fragen auf: Warum soll der Durchschni­ttsbürger auf das Auto verzichten und auf das Rad umsteigen, wenn sich zugleich die Milliardär­e im Weltall vergnügen?

Diese Frage sei zwar verständli­ch, helfe aber nicht weiter, sagt dazu Michael Rosenberge­r, Professor für Moraltheol­ogie an der Katholisch­en Privatuniv­ersität Linz. „Wenn wir so fragen, haben wir den Kampf gegen den Klimawande­l schon verloren. Es wird immer irgendwo einen Missstand geben, der mir als Entschuldi­gung dienen kann, dass ich nichts tue.“Jeder sollte bei sich selbst anfangen – und vom Gedanken ausgehen: „Ich versuche, meinen Beitrag zu leisten, und hoffe, dass die meisten anderen das auch tun.“Freilich sollte sich auch im Steuersyst­em Grundlegen­des ändern, betont der Moraltheol­oge. „Wenn das reichste Prozent viel mehr von seinem Geld an den Staat oder die Gesellscha­ft abgeben müsste, dann könnte es sich den Weltraumfl­ug nicht mehr leisten.“

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Jeff Bezos, Raketenman­n, Milliardär und Amazon-Chef.

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