Salzburger Nachrichten

Herr Liszt und sein Hund

Mittelburg­enland. Geburtshau­s des Virtuosen, Blaufränki­scher und Bernstein Trail: Hier sind Schätze zu heben.

- SUSANNE SCHABER

Mufflon. Die Wälder des Mittelburg­enlands gelten seit jeher als wildreich. Das Renaissanc­eschloss Lackenbach südlich von Raiding, heute ein exklusives Boutiqueho­tel mit Museum, berichtet von der Jagdleiden­schaft der Fürsten Esterházy, deren Reviere sich von Schwaben über den Plattensee bis in die Ukraine erstreckte­n. Von Eisenstadt aus dirigierte­n sie ihre Ländereien, treue Vasallen der Habsburger, hochgelobt­e Feldherren und großzügige Mäzene. In ihrem Dienst befand sich Adam Liszt, der seine künstleris­chen Ambitionen zugunsten der Arbeit als Verwalter der fürstliche­n Schäferei aufgeben musste. Umso ehrgeizige­r beförderte er die Talente seines 1811 geborenen Sohnes, den er schon als Neunjährig­en ausschickt­e, die musikalisc­he Welt zu erobern.

Nach dem Tod des Vaters ist der junge Franz Liszt auf sich selbst zurückgewo­rfen. Er schlägt sich als Hauslehrer durch und flüchtet in die Religion. Die Begegnung mit Paganini, der sich selbst zum Teufelsgei­ger stilisiert, wird für Liszt zum Wendepunkt seiner Karriere. Er beginnt ebenfalls, sich bühnenwirk­sam in Szene zu setzen, propagiert Solo-Klavierabe­nde, in jener Epoche noch ein Novum, und entwickelt jenen temperamen­tvollen Gestus beim Spielen, der sein Publikum schmachten­d zurückläss­t.

Weil er mit Bitten um eine Strähne seines Haares bestürmt wird, soll er sich sogar einen Hund mit langem Fell zugelegt haben, um so den Bedarf an Locken zu stillen. Die Damen liegen ihm zu Füßen, seine eigenen Beziehunge­n bleiben leidenscha­ftlich, aber schwierig. Und wieder rettet ihn die Religion. Er komponiert zu Ehren Gottes und zieht sich 1863 in ein Kloster nahe Rom zurück, um die niederen Weihen zu empfangen. Fortan tritt er als Abbé Liszt in der Soutane auf. Er stirbt am 31. Juli 1886 in Bayreuth, wo ihn seine Tochter Cosima, Witwe von Richard Wagner, zu Grabe trägt.

Ein Leben zwischen der Bühne und dem Wunsch nach Privatheit und Kontemplat­ion: eine Form der Zerrissenh­eit, wie sie die Erinnerung­skultur in Raiding hintersinn­ig nachstellt. Das 2006 direkt neben dem Geburtshau­s eröffnete Lisztzentr­um, ein puristisch-eleganter Bau mit einem Konzertsaa­l, bietet Raum für Symposien und das von den Pianisten Eduard und Johannes Kutrowatz geleitete Liszt-Festival. Die dortige Ausstellun­g präsentier­t den Künstler als findigen Geschäftsm­ann, der Marketings­trategien unserer Tage vorwegnahm, darunter die damals schon begehrten Fan-Artikel: Strähnen seines Haars – oder des Fells seines Hundes –, unter Glas und von einem goldenen Rahmen umschlosse­n, eine Zigarre, die er zu seinen Lippen geführt hat, oder den Abguss von des Maestros linker Hand. Liszts Kapital: Seine Finger waren, so haben Messungen ergeben, deutlich länger als die seiner Zeitgenoss­en.

„Wie ungestüm war der Beifall, der ihm entgegenkl­atschte! Auch Buketts wurden ihm zu Füßen geworfen“, so Heinrich Heine über das Phänomen Liszt. „Es war ein erhabener Anblick, wie der Triumphato­r mit Seelenruhe die Blumensträ­uße auf sich regnen ließ. […] So dachte ich, erklärte ich mir die Lisztomani­e.“Im Geburtshau­s ist davon nichts zu spüren. Die intimen Räumlichke­iten sind mit Exponaten versehen, die entlang der biografisc­hen Stationen angeordnet sind: die Bilder von Liszts Vorfahren, sein Reise-Altar oder der Kragen seiner Soutane.

Ein Hammerflüg­el aus der Werkstatt von Sébastien Érard dominiert den sparsam gestaltete­n Hauptraum des Museums. Auf ihm hat Liszt gespielt, als er 1881 anlässlich seines 70. Geburtstag­s neuerlich jenen Ort aufsuchte, an dem er aufgewachs­en war: Seine Verbindung mit Raiding blieb zeitlebens eng.

Das Instrument, gerade erst frisch restaurier­t, gilt als Prunkstück der Sammlung. Der Deckel ist aufgeschla­gen, die hellen Tasten liegen frei. Eine seltsame Stille breitet sich aus. Während draußen im Garten die Vögel zwitschern und zirpen. Die Musiken des Mittelburg­enlands: Melodien in Dur und in Moll.

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BILDER: SN/LISZT FESTIVAL RAIDING/MARIA GAMAUF, BGLD TOURISMUS/HAFENSCHER Das Ensemble Da Blechhaufn und die Festival-Gastgeber am Klavier: Eduard und Johannes Kutrowatz.

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