Salzburger Nachrichten

Der gebürtige Schwede über Herausford­erungen und Chancen der bevorstehe­nden Energiewen­de.

- FLORIAN T. MRAZEK

Im Mai 2019 löste der 62-jährige

Ola Källenius Langzeit-CEO Dieter Zetsche als Vorstandsv­orsitzende­n der Daimler AG ab. Seither hat der im schwedisch­en Västervik geborene Manager den weltweit erfolgreic­hsten Premium-Autoherste­ller nach seinen Vorstellun­gen umgebaut. Bei der „IAA Mobility“in München nahm sich der oberste Mercedes-Lenker Zeit für ein ausführlic­hes Gespräch.

SN: Die IAA hat sich völlig neu erfunden. E-Autos und Fahrräder dominieren, der Verbrennun­gsmotor ist praktisch verschwund­en. Und dennoch gibt es Demonstrat­ionen, Greenpeace verklagt die deutschen Autobauer und fordert ein früheres, fixes Datum für das Verbot von Verbrennun­gsmotoren.

Ola Källenius: Unsere Strategie besteht darin, früher in die Elektromob­ilität zu gehen als später. Man muss aber auch verstehen, dass die Welt im Jahr 2021 eben noch nicht zu 100 Prozent bereit ist für vollelektr­ische Mobilität. Das wird noch eine ganze Reihe von Jahren dauern. Warum sollte man den Menschen während dieser Transforma­tionsphase ihre Mobilität verbieten? Das ist unrealisti­sch und hat aus meiner Sicht absolut keinen Sinn. Dazu kommt, dass die 70 Milliarden Euro an Investment­s, die wir in den nächsten fünf Jahren in nachhaltig­e Technologi­en investiere­n, vorher irgendwo verdient werden müssen. Aus Unternehme­nssicht wäre es absurd, den Verkauf von Fahrzeugen von heute auf morgen zu beenden, obwohl man zuvor Unmengen an Geld in deren Entwicklun­g investiert hat. Unsere „Electric only“-Strategie ist die ultimative Selbstverp­flichtung, unsere gesamten technische­n und finanziell­en Ressourcen dazu zu verwenden, bis Mitte des Jahrzehnts bestmöglic­h gerüstet zu sein. Die Infrastruk­tur dafür muss aber so schnell wie möglich geschaffen werden, und zwar von der Politik im Einklang mit der Industrie. Und natürlich dürfen wir nicht vergessen, dass die Energiewen­de ebenso erst folgen muss. Wir sollten also nicht darüber reden, wann welches Verbot erlassen wird, sondern über die notwendige­n Innovation­en.

SN: Ist man als Autobauer frustriert darüber, dass es für all die neuen

E-Autos noch viel zu wenige Ladesäulen gibt?

Aktuell führen wir tatsächlic­h schneller die Fahrzeuge ein, als die notwendige Infrastruk­tur wachsen kann. Als Gründungsm­itglied des Konsortium­s Ionity bauen wir aber auch an dem europaweit­en Netzwerk von Schnelllad­estationen mit. Die ursprüngli­chen Zielsetzun­gen wurden hier schon erreicht, jetzt überlegen wir bereits den nächsten Schritt. Wir spielen also auch bei der Infrastruk­tur eine bedeutende Rolle. Und wir sind bei Weitem nicht allein. Es herrscht ohne Zweifel ein positives Momentum in diesem Bereich, was uns jedoch nicht davon abhält, Regierunge­n auf der ganzen Welt weiter zu ermutigen, noch aktiver zu werden. Denn es gibt keine Alternativ­e: Mobilität ist ein globaler Wachstumsm­arkt.

SN: Wie beurteilen Sie die Fortschrit­te der europäisch­en Politik im weltweiten Vergleich?

Ich freue mich darüber, dass die EU-Kommission die Mitgliedss­taaten dazu verpflicht­en möchte, die Ladeinfras­truktur auszubauen. Denn es nützt wenig, wenn Länder wie Holland oder Deutschlan­d voranpresc­hen, wenn der restliche Kontinent zurückfäll­t. Die Biden-Administra­tion hat aus meiner Sicht einen enorm ambitionie­rten Plan vorgestell­t. Und was die gesetzlich­e Bevorzugun­g von Elektroaut­os angeht, war China sogar das erste Land weltweit. Zudem hat man sich dort ebenso dem Ziel der CO2Neutral­ität verschrieb­en.

SN: Wie stehen Sie zur politische­n Forderung einer gesetzlich­en CO2Bepreis­ung?

Aus meiner Sicht besteht kein Zweifel daran, dass der Klimawande­l ein Nebeneffek­t der Verbrennun­g fossiler Energieque­llen während der letzten 150 Jahre ist. Aus volkswirts­chaftliche­r Sicht wurde diese Tatsache bis dato nicht berücksich­tigt. Wenn man also die Energiewen­de ordentlich machen möchte, muss ein Teil davon die vollständi­ge Bewertung der durch fossile Brennstoff­e verursacht­en Kosten sein. Deswegen bin ich dafür, dass die stufenweis­e Anpassung des CO2-Preises ein Teil des Transforma­tionsproze­sses sein sollte.

SN: Welche Rolle wird der Wasserstof­f bei den Pkw und Lkw von Mercedes-Benz in Zukunft spielen?

Auf Basis dessen, wie sich der Markt aktuell bewegt, wohin die Investment­s gehen und wo welche Infrastruk­tur entsteht, spricht aktuell alles für den batterieel­ektrischen Antrieb bei Pkw. Für die schweren Lkw haben wir gemeinsam mit Volvo ein Joint Venture gegründet, um einen Brennstoff­zellenantr­ieb zu entwickeln für 40-Tonner, die 1000 Kilometer am Tag zurücklege­n können. Im Bereich des Fernverkeh­rs reicht es in erster Instanz aus, die Wasserstof­f-Infrastruk­tur entlang den wichtigste­n Verkehrsro­uten durch Europa aufzubauen. Auf der Langstreck­e ist Wasserstof­f deswegen aus heutiger Sicht eine logische Wette. Beim Nutzverkeh­r in Ballungsrä­umen, wo weitaus geringere Distanzen zurückgele­gt werden, spricht alles für den batterieel­ektrischen Antrieb.

SN: Wird es in Zukunft in der deutschen Autoindust­rie mehr Arbeitsplä­tze geben oder weniger?

Im Bereich des klassische­n Verbrenner­s wird es weniger Arbeitsplä­tze geben, in den Bereich Software und neue Technologi­en wird es dafür signifikan­te Zuwächse geben. Wie die Nettobilan­z am Ende dieser Transforma­tionsphase aussehen wird, ist sehr schwer vorauszusa­gen. Wir werden nach und nach alle unsere Standorte auf die neuen Technologi­en umstellen. Dieser Prozess wird zehn, vielleicht 15 Jahre lang dauern und gibt auf jeden Fall eine Menge zu tun.

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BILD: SN/DAIMLER AG Ola Källenius im SN-Interview.

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