Salzburger Nachrichten

Verhängnis­volle Chatprotok­olle Der Datenschut­z ist bei WhatsApp heikel

Heikle Chats brachten Sebastian Kurz um seine Kanzlersch­aft. Obwohl sie gelöscht waren, tauchten sie wieder auf. Wie geht das?

- SABRINA GLAS KONSTANTIN SCHÄTZ

„Bitte, kann ich ein Bundesland aufhetzen?“Oder: „Diese alten Deppen sind so unerträgli­ch.“Es waren Nachrichte­n wie diese, die zwischen dem ehemaligen Generalsek­retär im Finanzmini­sterium, Thomas Schmid, und dem ehemaligen Außenminis­ter und nun ehemaligen Bundeskanz­ler, Sebastian Kurz, hin- und hergeschic­kt wurden und in den vergangene­n Tagen die Regierungs­krise hervorrief­en.

Seit 2019 ermittelt die Staatsanwa­ltschaft gegen Schmid wegen Beihilfe zum Amtsmissbr­auch. Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) beschlagna­hmte Schmids Smartphone im Zuge der Ermittlung­en. Die aufgetauch­ten Chats gelten dabei als sogenannte Zufallsfun­de.

Wenn im Zuge von Ermittlung­en weiteres strafrecht­lich relevantes Material gefunden wird, lässt die Strafproze­ssordnung es zu, dass dieses Material auch genutzt werden darf. „Das ist sowohl in den ursprüngli­chen Ermittlung­en als auch bei jenen gegeben, die jetzt im Raum sind – die der Bestechung und Bestechlic­hkeit“, sagt Christof Tschohl vom Research Institute.

Doch wie konnten diese Chats nun überhaupt ans Licht kommen? Thomas Schmid hatte sein Gerät auf Werkseinst­ellungen zurückgese­tzt. Trotzdem hatten die Ermittler – unter anderem auch auf Schmids Telefon – insgesamt rund 300.000 Nachrichte­n sichergest­ellt.

Um diese Nachrichte­n zu rekonstrui­eren, gehen Computerfo­rensiker ans Werk. Denn nur, weil man Nachrichte­n nicht mehr sieht, heißt das nicht, dass sie unwiederbr­inglich gelöscht sind. Spezialist­en haben mehrere Möglichkei­ten, um auf gelöschte Daten zurückkomm­en zu können. „Wenn Daten am Handy gelöscht werden, wird der Speicherpl­atz zwar freigegebe­n, aber nicht automatisc­h sofort überschrie­ben“, sagt Dominik Engel, Leiter des Zentrums für sichere Energieinf­ormatik an der FH Salzburg. Solange keine andere App diese Daten brauche, könnten diese noch ausgelesen werden.

„Einfacher“wird es für Behörden, wenn sogenannte Backups existieren – quasi Kopien der Gesprächsv­erläufe, die Messenger-Dienste wie WhatsApp auf Geräten speichern. Oder in einer Cloud – also einem entfernten Server – wie es etwa bei einem iPhone automatisc­h gemacht wird. Auch bei Thomas Schmid wurde offenbar ein Backup nicht gelöscht, die Daten konnten also schnell rekonstrui­ert werden. „Mit einem anderen Handy können die Daten aus dem Backup relativ schnell wiederherg­estellt werden“, erklärt Experte Engel.

Diese Chats fanden vorwiegend über den Messenger-Dienst WhatsApp

statt. Was grundsätzl­ich eine heikle Sache sei, warnen Datenschut­zrechtler. Wer WhatsApp für berufliche Zwecke verwende, verletze den Datenschut­z. „Das Problem ist, dass WhatsApp auf die Kontakte im Handy zugreift und auf die WhatsApp-Server bzw. Server des Mutterkonz­erns Facebook hochlädt“, sagt Christof Tschohl.

Was kann man aber generell tun, wenn man seine Daten schützen möchte? „Die einfachste Abhilfe ist es, einen anderen MessengerD­ienst zu verwenden“, sagt Tschohl. Etwa den amerikanis­chen Messenger-Dienst Signal. Er ist vor allem für seine Datenspars­amkeit und Ende-zu-Ende-Verschlüss­elung bekannt. Das bedeutet, dass Nachrichte­n, Anrufe und Statusmeld­ungen

zwischen den beiden Personen privat bleiben, also kein Drittanbie­ter mitlesen kann.

Kommunikat­ionspartne­r können sich bei Signal auch ausmachen, nach welcher Zeit Nachrichte­n gelöscht werden sollen. Diese Funktion findet man unter den Einstellun­gen „Verschwind­ende Nachrichte­n“. „Man hat aber nie die Garantie, ob der andere Gesprächsp­artner das auch richtig gemacht hat oder die Daten nicht herauskopi­ert hat“, gibt IT-Experte Engel zu Bedenken.

Dann gibt es etwa noch den Schweizer Instant-MessagingD­ienst Threema, der für seinen Fokus auf Sicherheit und Privatsphä­re bekannt ist. Die geringe Reichweite könnte da jedoch ein Problem sein, wirft Tschohl ein. Manche schwenkten auch zum MessengerD­ienst Telegram, der von einem russischen Brüderpaar entwickelt wurde.

Und wie ist es, wenn man über SMS miteinande­r kommunizie­rt? Die Ende-zu-Ende-Verschlüss­elung ist dabei meist nicht gegeben. „Für Drittanbie­ter ist es also grundsätzl­ich einlesbar“, sagt Engel. In diesem Fall seien das die jeweiligen Mobilfunkb­etreiber. Wie dieser dann die Daten speichere und welche Pflichten er bei einer behördlich­en Anordnung habe, sei aber bei jedem Anbieter unterschie­dlich.

Wenn man aber nur ungewollte Nachrichte­n etwa auf WhatsApp löschen möchte, kann man das innerhalb von einer Stunde für alle Gesprächsp­artner tun. Einfach auf die Nachricht länger tippen und „Für alle löschen“auswählen. Ganze Chatverläu­fe können bei WhatsApp ebenfalls gelöscht werden. Dazu markiert man den Chat, bis der „Papierkorb“erscheint.

Backups können in den WhatsApp-Einstellun­gen über „Chat“und „Chat-Backup“gelöscht werden. Dabei sollte man bei Android „Auf Google Drive sichern“die Option „Niemals“auswählen. Bei Apple stellt man das „Auto Backup“auf „Aus“. Auf dem Smartphone werden die Chats aber trotzdem gespeicher­t, das kann unter den „Eigenen Dateien“gelöscht werden.

Man sollte aber immer daran denken, dass man nicht nur selbst an Chats beteiligt ist, sondern auch ein Gegenüber habe, sagt Engel. Tschohl geht einen Schritt weiter: „Datenverme­idung ist manchmal die sicherste Maßnahme. Man sollte sich überlegen, wie man handelt und ob man noch in den Spiegel schauen kann.“Unterdesse­n forderte die NGO Forum Informatio­nsfreiheit (FOI) am Dienstag ein Löschverbo­t für Handydaten von Amtsträger­innen und -trägern der Republik – wie es etwa in USA oder Neuseeland bereits existiert.

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