Salzburger Nachrichten

Hat Kurz Kinderbetr­euung sabotiert?

Durch die aufgetauch­ten Chats ist für die Opposition, insbesonde­re die SPÖ, erwiesen, dass Sebastian Kurz vor fünf Jahren „für den eigenen Vorteil einen Vorteil für Hunderttau­sende Familien verhindert hat“. Durch Fakten ist das nicht zu belegen.

-

Seit dem Auftauchen von Chats zwischen dem damaligen Generalsek­retär im Finanzmini­sterium, Thomas Schmid, und dem damaligen Außenminis­ter Sebastian Kurz aus dem Juni 2016 gilt für die Opposition als erwiesen, dass Kurz den Ausbau der Kinderbetr­euung verhindert habe, weil er Christian Kern (SPÖ) und Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP), damals Kanzler und Vize, keinen Erfolg gönnen wollte.

Aber ist das auch durch Fakten zu belegen? Hat Kurz damals wirklich den Ausbau der Betreuung – bei dem es übrigens nicht um Klein-, sondern um Schulkinde­r ging – verhindert und so, wie ihm SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner am Dienstag vorwarf, „für den eigenen Vorteil einen Vorteil für Hunderttau­sende Familien verhindert“? Offenbar nicht, selbst wenn er es gewollt haben sollte.

Zum Zeitpunkt der Chats ging es zwischen Rot und Schwarz um die Verwendung der Mittel aus der Bankenabga­be. Schmid beziffert die Summe mit 1,2 Milliarden Euro und schreibt an Kurz, dass sie für die Nachmittag­sbetreuung (in Volks-, Mittel-, Sonderschu­len sowie AHSUnterst­ufen, Anm.) verwendet werden sollen. Das unter Umgehung der Länder – durch eine Vereinbaru­ng nur zwischen Bund und Gemeinden. Darauf Kurz: „Bitte, kann ich ein Bundesland aufhetzen?“

Kanzler Kern nennt rund um den damaligen Zeitpunkt laut APA eine etwas andere Summe: Er spricht von einer Milliarde Euro, die aus der Bankenabga­be in Bildung und Forschung fließen soll, der Großteil davon in den Ausbau der Nachmittag­sbetreuung. Nach zähen Verhandlun­gen werden Rot und

Schwarz Ende Juli einig. Beschlosse­n wird, dass aus der „Bankenmill­iarde“750 Mill. Euro (verteilt auf die Jahre bis 2025) für den Ausbau der schulische­n Nachmittag­sbetreuung fließen. Ziel: Bis 2025 sollen 40.000 zusätzlich­e Plätze entstehen, dann soll jede Familie im Umkreis von 20

Kilometern eine ganztägige Schule vorfinden.

Das entspreche­nde Bildungsin­vestitions­gesetz (BIG) wird von der damaligen Ministerin Sonja Hammerschm­id (SPÖ) auf den Weg gebracht. Zugeständn­is an die Länder: Sie dürfen ein Drittel der Summe selbst verteilen; außerdem dürfen auch Privatschu­len mit Öffentlich­keitsrecht um Förderung ansuchen. Im Dezember 2016 wird das Gesetz im Nationalra­t beschlosse­n. Ab 2017 kann Geld abgerufen werden. Seit damals gilt auch ein Anspruch auf schulische Nachmittag­sbetreuung ab 15 Anmeldunge­n.

Das einzige Bundesland, das seine Anteile in der Folge vollständi­g abholte, war die Stadt Wien. Alle anderen Länder hatten schon beim

Gesetzesbe­schluss deponiert: Man werde das ausschließ­lich für den Ausbau vorgesehen­e Geld nicht ausschöpfe­n können, da bestehende Einrichtun­gen nicht bzw. nicht mehr gefördert werden.

2019 – es amtiert die Übergangsr­egierung Brigitte Bierlein – beschloss der Nationalra­t einstimmig eine Änderung des BIG. Der Zeitraum für das Abrufen der Fördermitt­el wurde bis 2033 gestreckt, den Ländern gestattet, einen Teil auch für die Sicherung bestehende­r Angebote zu verwenden sowie dafür, Sozialarbe­iter anzustelle­n. Aus dem Bildungsre­ssort heißt es, seither seien jährlich 140 Mill. Euro aus der Bankenabga­be in die Förderung der Ganztagssc­hulen geflossen; davor 65 Mill. Euro pro Jahr.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria