Bericht prangert britisches Versagen zu Pandemiebeginn an
Fehleinschätzungen der Regierung und ihrer Berater hätten Tausende Menschen das Leben gekostet.
Die Erinnerungen an den letzten Winter sind bei den Briten noch präsent. Damals wütete das Coronavirus im ganzen Land. Im Londoner Stadtteil Hackney war die Lage besonders dramatisch. Eine Bewohnerin berichtet davon, wie bedrückend es war, als rechts und links von ihrem Haus die betagten Nachbarn starben. Auch ihr Mann war schwer an Covid erkrankt, hatte Atemprobleme. Die Engländerin pflegte ihn zu Hause. „Man sagte mir, ich solle von ihm Abstand halten. Aber ich musste mich doch um ihn kümmern“, erzählt sie.
In der schlimmsten Phase der Pandemie Anfang des Jahres wurden schließlich täglich rund 4000 Menschen in Krankenhäuser eingeliefert. Nur durch einen monatelangen harten Lockdown ab Jänner konnte man die Lage in England schließlich wieder unter Kontrolle bringen. Die sonst lebendige Metropole London stand damals plötzlich still wie bereits im vergangenen Jahr von März bis Anfang Juli. Eine junge Frau erinnert sich an diese Zeit: „Wir konnten nichts mehr tun, saßen nur noch zu Hause. Es war schrecklich.“
Der detaillierte Bericht einer parlamentarischen Untersuchungskommission zählt aktuell auf, wie es zu dieser dramatischen Entwicklung kommen konnte. Auf 151 Seiten werden die Entscheidungen der britischen Regierung in der Coronapandemie analysiert und Vorschläge für die Zukunft gemacht. Das Urteil: Zu Beginn der Pandemie wurden „schwere Fehler“gemacht, die „Menschenleben gekostet haben“.
Für diese schweren Fehler verantwortlich war laut dem Bericht unter anderem die Annahme von Politikern und wissenschaftlichen Beratern, dass man das Virus ohnehin nicht aufhalten könne. Erkenntnisse aus asiatischen Staaten, die zeigten, dass es wichtig ist, schnell zu reagieren, habe man ignoriert. Stattdessen setzte die Regierung unter Premierminister Boris Johnson auf eine „Durchseuchung“der Bevölkerung.
Man wartete ab, statt zu handeln. Maßnahmen wie ein Lockdown und Tests, die, wie der Bericht anmerkt, teilweise sogar in Großbritannien entwickelt wurden, kamen zu spät zum Einsatz. Gleichzeitig lobt der Bericht ausdrücklich die britische Impfkampagne und bezeichnet sie als „eine der effektivsten in Europa“.
Insgesamt kommt die Kommission jedoch zu einem vernichtenden Schluss: Das Verhalten in den ersten Wochen der Pandemie zähle zu den „größten Versagen im Gesundheitswesen in der Geschichte des Vereinigten Königreichs“. Die Leiter der Kommission, Jeremy Hunt und Greg Clark, kommentierten: „Die Reaktion Großbritanniens auf die Pandemie ist eine Kombination aus großen Errungenschaften und großen Fehlern.“
Angesichts des kommenden Winters mit einer anhaltenden Pandemie und einer zu befürchtenden Grippewelle rief Premier Johnson nun dazu auf, dass sich noch mehr Menschen impfen lassen sollen.