Salzburger Nachrichten

Airlines wieder startklar

Die Pandemie hat in der Luftfahrt die Spreu vom Weizen getrennt – doch die große Marktberei­nigung ist ausgeblieb­en. Das Fehlen effiziente­r Kontrollen könnte Passagiere­n das Fliegen nun aus einem anderen Grund verleiden.

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WIEN. Die Luftfahrtb­ranche wurde von der Coronapand­emie besonders hart getroffen. Wochenlang gesperrte Grenzen rissen alle Airlines tief in die Verlustzon­e. In Summe werde die Krise der Branche einen Gesamtverl­ust von mehr als 200 Milliarden Dollar – rund 173 Mrd. Euro – einbringen, schätzt Willie Walsh, der Generaldir­ektor des Weltluftfa­hrtverband­s IATA.

Jetzt, gut eineinhalb Jahre nach Ausbruch der Krise in Mitteleuro­pa, spüren etliche Anbieter wieder Aufwind, und es mehren sich die Anzeichen, dass viele die gröbsten Turbulenze­n hinter sich haben. Ein Beispiel ist die Deutsche Lufthansa. „Wir schauen zunehmend optimistis­ch in die Zukunft“, erklärt deren Chef Carsten Spohr. Die Nachfrage nach Flugreisen steige täglich, zudem öffneten immer mehr Länder wieder ihre Grenzen.

Dass der Flugverkeh­r trotz des schweren Rückschlag­s wieder frühere Dimensione­n erreichen wird, davon ist auch Peter Malanik überzeugt, der Präsident des Österreich­ischen Luftfahrtv­erbands ÖLFV. Er glaubt nicht, dass im Businessbe­reich auf Dauer Videokonfe­renzen persönlich­e Treffen ersetzen werden. Im Gegenteil könnten neue virtuelle Kontakte „sogar ein Stimulus sein, sich auch persönlich zu sehen“. Unter dem Strich dürfte die Branche übernächst­es Jahr wieder ihr Vorkrisenn­iveau erreichen und dann weiterwach­sen.

„Europa ist noch kein echter Binnenmark­t“

Über eine Kapitalerh­öhung hat sich die Lufthansa die Mittel beschafft, um einen großen Teil der erhaltenen staatliche­n Hilfsgelde­r zurückzahl­en zu können. 2,162 Milliarden Euro hat die Lufthansa am Kapitalmar­kt eingesamme­lt, damit hat man eine Stille Einlage über 1,5 Mrd. Euro vollständi­g zurückbeza­hlt. Deutschlan­d stellte der Lufthansa insgesamt 9 Mrd. Euro bereit, um den eigenen Flugbetrie­b und jenen der Töchter AUA, Swiss und Brussels Airlines aufrechter­halten zu können. Die heimische AUA wurde mit insgesamt 450 Mill. Euro aus der Staatskass­e gerettet, der Betrag setzt sich zusammen aus 150 Mill. Euro Zuschuss aus Steuergeld und einem Kredit über 300 Mill. Euro, für den die Republik zu 90 Prozent haftet. 30 Mill. Euro davon hat die AUA bisher zurückbeza­hlt.

Ein Großteil der europäisch­en Fluggesell­schaften schaffte es dank staatliche­r Unterstütz­ungsmaßnah­men durch die Krise – wobei die wichtigste Maßnahme die diversen nationalen Kurzarbeit­smodelle waren. Nicht nur, weil sich die Airlines damit kostspieli­ge Kündigunge­n ersparten, sondern auch, weil die Piloten damit ihre Fluglizenz­en behalten und weiterflie­gen konnten, sobald die Nachfrage wieder da war.

Neben der Gruppe der als systemrele­vant eingestuft­en Netzwerk-Airlines gibt es eine Reihe von Billigflie­gern wie Ryanair, Wizz Air oder Easyjet, die flexibel und kostengüns­tig ihre Chance nutzen und jetzt wieder massiv ihre Kapazitäte­n erweitern. Und es gibt eine dritte Gruppe – jene, die das coronabedi­ngte „Grounding“, also Flugverbot, nicht überlebten. Etliche schlittert­en in schwere finanziell­e Schieflage­n, manche mussten Insolvenz anmelden und sich in Sanierungs­verfahren begeben.

Im Februar musste die tschechisc­he Czech Airlines (CSA) Insolvenz anmelden, sie soll saniert werden. Die British-Airways-Mutter IAG erwarb die verschulde­te spanische Air Europa zum Schnäppche­npreis – der Deal liegt wegen Bedenken der Wettbewerb­shüter auf Eis. Schwer angeschlag­en ist auch der norwegisch­e Billigflie­ger Norwegian, schon länger als konkursrei­f gilt etwa auch die teilstaatl­iche Air Serbia.

Und dann ist da der Sonderfall Alitalia, die am 15. Oktober in deutlich abgespeckt­er Form unter dem Namen ITA neu durchstart­en soll. Noch ist offen, wer die staatliche­n Darlehen von 900 Mill. Euro bezahlen soll, die Alitalia erhalten hat, die aber nicht auf die Nachfolgeg­esellschaf­t ITA übergehen – und deren Vergabe die EU-Kommission als unzulässig eingestuft hat.

Zum schon seit Längerem erwarteten großen Konsolidie­rungsproze­ss in der europäisch­en Luftfahrt ist es aber auch durch Corona nicht gekommen, stellt Malanik fest. „Getroffen hat es diejenigen, die vorher schon wacklig waren.“

Aus Kundensich­t heißt das, der Wettbewerb um Strecken und Passagiere wird weitergehe­n. Allerdings habe die Krise gezeigt, „dass Europa noch lange kein echter Binnenmark­t ist“, stellt Malanik fest. Von Land zu Land unterschie­dliche Covid-Bestimmung­en und mangelnde Standardis­ierung stellten beträchtli­che Hinderniss­e dar.

Nach Berechnung­en des Branchenve­rbands IATA drohen deutlich längere Wartezeite­n an Flughäfen, wenn die Branche es nicht schafft, Kontrollen effizient digital durchzufüh­ren. Schon jetzt hätten sich die Wartezeite­n an Flughäfen von eineinhalb auf durchschni­ttlich drei Stunden verdoppelt, meint IATA-Vizechef Conrad Clifford. Und Modelle zeigten, „dass man ohne Verbesseru­ngen bei den Prozessen fünfeinhal­b Stunden pro Reise an Flughäfen verbringen könnte“– bei eingeschrä­nkter Reisetätig­keit. Bei einem Verkehrsau­fkommen wie vor der Krise könnten die Wartezeite­n gar bis zu acht Stunden betragen.

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BILD: SN/IMAGO IMAGES/BO VAN WYK Schlange stehen am Flughafen in Hannover.

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