Milliardenstrafe klingt gut, schnelle Entscheidung wäre besser
Der Anlass, warum Google 2,4 Milliarden Euro Strafe zahlen soll, liegt elf Jahre zurück. Damals wurde Instagram erst gegründet.
Was viel Geld ist, versteht jeder. Was dahinter steckt, begreifen wenige. Deshalb war die Bestätigung einer 2,4-Milliarden-Euro-Strafe gegen Google durch das EU-Gericht eine TopNachricht. Darum blieb die Einigung der EUStaaten auf eine gemeinsame Linie kontra Google, Facebook & Co. eine Randnotiz. Gemeinsam ist beiden Ereignissen vom Mittwoch, dass sie entlarven, warum die Europäische Union gegenüber den digitalen Riesen grundsätzlich ins Hintertreffen gerät. Sie ist zu langsam. Der ohnehin schon langwierige, durch Beteiligung von 27 Staaten noch langsamere demokratische Prozess bleibt abrupten Entscheidungen eines Tech-Tycoons wie Mark Zuckerberg ebenso unterlegen wie autoritär beschleunigten Umsetzungen. Die erste Beschwerde gegen Google-Shopping war 2010, die Strafe der EU folgte 2017, ihre Bestätigung erst jetzt. Sollte es eine Berufung beim Europäischen Gerichtshof geben, dauert es weitere Jahre. Nur zum Tempovergleich:
2010 wurde Instagram gegründet. Heute gehört es zu Facebook, hat global 1,2 Milliarden User und jeder vierte Österreicher nutzt es täglich.
Trotzdem ist die aktuelle Bestätigung der exorbitanten Strafe ein Meilenstein, wenn auch noch kein Dammbruch. Es sind weitere Wettbewerbsverfahren anhängig. Insgesamt geht es um acht Milliarden Euro. Aber allein 2020 war der Gewinn von Google mehr als doppelt so hoch. Langfristig sind Fesseln, wie sie der Digital Markets Act (DMA) den Plattformen anlegen sollte, wirkungsvoller. Die soeben erzielte Einigung der EU-Staaten, die am 25. November formal bestätigt wird, ist aber nur eine Etappe. Das Europaparlament ringt noch um seine Position. Anfang 2022 sollten die Verhandlungen mit dem EU-Rat beginnen. Es geht um enorm viel. Die europäischen Verlegerverbände EMMA und ENPA sehen in den Regulierungsplänen bezüglich fairer Zugangsbedingungen weder Suchmaschinen noch soziale Netzwerke hinreichend erfasst. Sie fürchten geradezu ein „Schutzgesetz“für Google und Facebook. Das wird es wohl nicht werden. Doch die Lobbyisten kämpfen noch um jede Zeile.
Wenn der DMA kommt – und mit ihm der an gesellschaftlichen Fragen orientierte Digital Services Act (DSA) –, kann die EU deutlich schneller gegen vermutete Verstöße im digitalen Raum eingreifen als heute. Bei den GoogleStrafen wirkte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager mitunter wie eine einsame Kämpferin gegen Windmühlen. Das aktuelle Urteil und die akute Gesetzesentwicklung müssen für sie eine persönliche Genugtuung sein – und für uns eine Mahnung, mehr auf EU-Politik zu achten. Nur öffentlicher Druck kann sie beschleunigen.
Peter Plaikner