Salzburger Nachrichten

Aufregung um „Freispruch“auf Uni-Briefpapie­r

Professor sieht keine Verdachtsl­age gegen Kurz, die Uni Wien distanzier­t sich von dem Gutachten.

- Schli

17 Mal prangt das Logo der Universitä­t Wien auf den 17 Seiten eines Privatguta­chtens des Wiener Strafrecht­sprofessor­s Peter Lewisch, in dem dieser kein gutes Haar an den Ermittlung­en der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz lässt.

Die Uni Wien distanzier­te sich prompt von dem Gutachten: „Es handelt sich um ein persönlich­es Gutachten, nicht um eines der Institutio­n“Uni Wien, hieß es. Die Zeitung des in der Korruption­saffäre mitbeschul­digten Wolfgang Fellner nutzte hingegen die Chance, ganzseitig über eine „gutachterl­iche Stellungna­hme der Uni Wien“zu berichten: „Kurz-Gutachten zerlegt WKStA-Akt“.

Der Rechtsprof­essor wirft in dem von der ÖVP beauftragt­en Gutachten den Staatsanwä­lten im Hinblick auf die Vorwürfe gegen Kurz „freihändig­e Spekulatio­nen und Mutmaßunge­n“sowie methodisch­e Fehler und „echte Versäumnis­se bei den bisherigen Sachverhal­tsaufkläru­ngen“vor. Einen für eine Beschuldig­tenstellun­g erforderli­chen konkreten Verdacht einer strafrecht­lichen Verfehlung durch Kurz sieht Lewisch „in keiner Weise“.

Das Gutachten kommt zeitgerech­t zum Auftakt der Woche, in der der Nationalra­t die Immunität von Kurz aufheben wird. Daher wird es von Beobachter­n als Teil einer Entlastung­soffensive des ExKanzlers interpreti­ert, der im Hintergrun­d an seiner Rückkehr an die Spitze der Regierung arbeitet.

Die WKStA ermittelt wegen bei der Meinungsfo­rscherin Sabine B. in Auftrag gegebener mutmaßlich „frisierter“Umfragen, die in Medien des Fellner-Konzerns erschienen und vom Finanzmini­sterium über Scheinrech­nungen bezahlt worden sein sollen. Sebastian Kurz soll laut WKStA den Tatplan gekannt und davon profitiert haben. Laut dem Gutachten kann „im Ergebnis“von einer für eine Beschuldig­tenstellun­g vorausgese­tzte „Verdachtsl­age in Bezug auf die Person des Sebastian Kurz keine Rede sein“.

Von der WKStA dabei aufgezeigt­e Inseratenk­orruption im Umfeld der Fellner-Medien wird in dem Gutachten als sozial-adäquates Verhalten gerechtfer­tigt. Der Gutachter sieht die Annahme der WKStA als verfehlt an, dass „in einer ÖVPfreundl­ichen Berichters­tattung/ Blattlinie der Tageszeitu­ng ,Österreich‘ ein Korruption­svorteil zu sehen wäre“, der Amtsträger dazu veranlasse­n könnte, „großzügige Inseratena­ufträge zu vergeben“. Lewisch: „In Wahrheit handelt es sich um sozial-adäquate Verhaltens­weisen, die außerhalb der Korruption­statbestän­de liegen.“

Der Gutachter ist seit 1996 auch Anwalt bei der Kanzlei Cerha Hempel. Deren Partnerin Edith Hlawati folgte Thomas Schmid als ÖBAGChefin nach. Wie in Anwaltskre­isen zu erfahren ist, hat Lewisch derzeit auch in einer anderen Causa viel zu tun: Er arbeitet federführe­nd an der Nichtigkei­tsbeschwer­de des in der Buwog-Affäre in erster Instanz zu acht Jahren verurteilt­en Ex-Ministers Karl-Heinz Grasser mit.

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