Salzburger Nachrichten

Der Hintermann im Kreml

- Ulrich Krökel AUSSEN@SN.AT

Wladimir Putin wäscht seine Hände wieder einmal in Unschuld. Er habe mit der „Migrations­krise“an der Grenze zwischen Belarus und Polen nicht das Geringste zu tun, beteuert der Kremlchef. Er habe erst aus den Medien davon erfahren. Das ist etwa so glaubhaft wie einst die Behauptung, es gebe auf der Krim keine russischen Soldaten. Drei Wochen später war die Halbinsel annektiert.

Im Übrigen handelt es sich bei der Tragödie an der EU-Außengrenz­e keineswegs um eine Migrations­krise, sondern um eine gezielt erzeugte Eskalation. Indirekt bestätigte Putin das sogar selbst, indem er die russische Fluglinie Aeroflot vorrechnen ließ, wie viele Passagiere sie zuletzt aus Krisengebi­eten im Nahen Osten nach Minsk geflogen hat. Seht her, lautete die Botschaft, wir machen so etwas nicht. Aber es wird gemacht.

Und zwar eindeutig im Sinne Putins. Denn spätestens seit den Massenprot­esten in Belarus im Sommer 2020 hat der Kremlchef den belarussis­chen Machthaber Alexander Lukaschenk­o in der Hand. Wirtschaft­lich und finanziell sowieso, aber inzwischen auch außen- und sicherheit­spolitisch. Davon zeugen die jüngsten Demonstrat­ionen russischer Militärmac­ht in Belarus, etwa die Überflüge von atomwaffen­fähigen Bombern.

Es grenzt an Hohn, wenn Putin nun seine Vermittlun­gsdienste anbietet. Er hätte dem Schrecken ja längst ein Ende bereiten können, wenn er gewollt hätte. Er wollte aber nicht. Weil ihm die Tragödie in die Karten spielt.

Zum einen wird die EU diesen Lukaschenk­o niemals wieder als Gesprächsp­artner akzeptiere­n können. Dadurch verliert das Regime in Minsk den letzten Rest an außenpolit­ischem Spielraum. Zum anderen treibt die Krise die Spaltung der EU voran. Daran arbeitet Putin seit Jahren. Ob er Erfolg hat, liegt an der EU selbst.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria