Salzburger Nachrichten

„Historisch­er“Beschluss mit Wermutstro­pfen

Bei der Klimakonfe­renz in Glasgow wurden wichtige Einigungen erzielt. Beim Kohleausst­ieg gab es in letzter Minute Abstriche.

- Alok Sharma, COP26-Präsident

Bevor er den Hammer fallen ließ, um den Klimapakt von Glasgow zu besiegeln, kämpfte Alok Sharma mit den Tränen. „Ich bitte um Verzeihung für die Art, wie das gelaufen ist“, sagte der britische Präsident der Weltklimak­onferenz am Samstagabe­nd. Kurz zuvor hatten China und Indien einem schon als „historisch“gefeierten Satz zum Ende der Kohle in letzter Minute einiges an Wirkung genommen. In der Abschlusse­rklärung der 197 Staaten ist nun nicht vom Ausstieg (phase-out) die Rede, sondern nur noch vom Abbau (phase-down).

„Das ist zu sanft“, kommentier­te etwa Jennifer Morgan von Greenpeace Internatio­nal die Änderung.

„Aber es wurde ein Signal gesendet, dass die Ära der Kohle zu Ende geht. Und das ist wichtig.“

Als einer der letzten im Plenum ergriff am Samstag Juan Carlos Monterrey Gómez für sein Heimatland Panama noch einmal das Wort: „Es ist kein Geheimnis, dass wir mit vielen Details des Vertrags nicht glücklich sind“, sagte er und ergänzte: „Die Vereinbaru­ng ist kein perfekter Schritt, aber sie ist ein Schritt in die richtige Richtung.“

Diesem Urteil stimmen viele Beobachter der COP26 zu. Am Ende unterzeich­neten alle 197 Staaten den gemeinsame­n Beschluss, der unter anderem den Weg zum Ausstieg aus der Kohle ebnet. Außerdem wurden die Ziele des Pariser Abkommens in ein verbindlic­hes Regelwerk gegossen. In der ersten Woche einigte man sich darüber hinaus unter anderem darauf, dass bis zum Jahr 2030 die Abholzung der Wälder gestoppt werden soll. Mehr als 100 Länder versprache­n weniger Methan-Emissionen.

„Wir können jetzt mit Überzeugun­g sagen, dass wir das 1,5-GradZiel am Leben erhalten haben. Aber sein Puls ist schwach und es kann nur weiter existieren, wenn wir unsere Verspreche­n halten und unsere Verpflicht­ungen in schnelles Handeln umsetzen“, kommentier­te Sharma das Ergebnis. „Insgesamt ist das ein guter Deal“, sagte auch Alexandra Scott von E3G, einem Thinktank mit dem Schwerpunk­t Klimaschut­z, gegenüber den SN.

Enttäuscht von den Beschlüsse­n der COP26 zeigten sich besonders vom Klimawande­l betroffene Länder, darunter viele Inselstaat­en. Sie erhofften sich mehr finanziell­e Unterstütz­ung durch reichere Staaten zur Anpassung an nicht mehr vermeidbar­e Folgen. Laut Angaben der Hilfsorgan­isation „Christian Aid“geben afrikanisc­he Staaten hierfür schon jetzt jährlich bis zu zehn Prozent ihres Bruttoinla­ndsprodukt­s aus. Zwar sollen die Hilfen bis 2025 verdoppelt werden. Das entspräche dann einem Betrag von knapp 34 Milliarden Euro jährlich. „Das reicht aber lange nicht aus, um die Kosten zu decken“, betont Alexandra Scott von E3G.

Im Regelbuch zur Umsetzung des Pariser Abkommens wurde in Glasgow unter anderem geregelt, dass künftige Klimaziele alle fünf Jahre vorgelegt werden und nach einheitlic­hen Standards berichtet wird. Auch zum Emissionsh­andel gab es eine Einigung.

Vielen Aktivisten gehen die bei der COP26 gemachten Versprechu­ngen jedoch längst nicht weit genug. Ob die Ziele eingehalte­n werden, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Die nächsten Verhandlun­gen im großen Rahmen wird es im November 2022 bei der COP27 in Ägypten geben.

„Das 1,5-Grad-Ziel ist noch am Leben, aber sein Puls ist schwach.“

Enttäuscht­e Aktivisten sind am Ende eines Klimagipfe­ls keine Überraschu­ng. Aber ein den Tränen naher COP-Präsident? Der britische Chefverhan­dler Alok Sharma entschuldi­gte sich in seinem Abschlusss­tatement dafür, wie das Ergebnis auf dem letzten Meter zustande kam. Zu Recht.

Dass hinter verschloss­enen Türen der „Ausstieg“aus Kohleenerg­ie noch zum „Abbau“der Kohleindus­trie herabgestu­ft wurde, ist für die vom Klimawande­l am stärksten betroffene­n Länder ein Schlag ins Gesicht.

Die Tatsache, dass es dieser Passus überhaupt in die Abschlusse­rklärung geschafft hat und die finale Relativier­ung Sharma die Tränen in die Augen trieb, zeigt aber etwas Gutes: Im Grunde gibt

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BILD: SN/AP Alok Sharma, Präsident der Weltklimak­onferenz in Glasgow.

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