Salzburger Nachrichten

Bricht Kuba auf in neue Zeiten?

Vier Monate nach den massiven Protesten gegen die Regierung will die Opposition am Montag erneut für mehr Freiheiten und Demokratie auf die Straßen gehen.

- Yunior García, Protestorg­anisator

HAVANNA. Am Montag soll der große Protestmar­sch in Havanna und mehreren anderen Städten der Karibikins­el stattfinde­n. Aber schon Tage zuvor herrschte große Nervosität. Die kommunisti­sche Regierung untersagte den „Bürgermars­ch für die Veränderun­g“und bezeichnet­e ihn als einen subversive­n Akt, der aus den USA gesteuert und finanziert werde. Die Organisato­ren der Internetpl­attform Archipiéla­go fürchten um die Friedlichk­eit des Protests und wollen Ausschreit­ungen wie am 11. Juli unbedingt vermeiden.

Der Hauptorgan­isator von Archipiéla­go, der Dramatiker Yunior García, sprach dieser Tage von „brutalem Druck“, den die Regierung von Präsident Miguel Díaz-Canel ausübe. Sie wirft dem 39-Jährigen vor, „die Konfrontat­ion zwischen der Armee und dem Volk“schüren zu wollen. Díaz-Canel betonte im kubanische­n Fernsehen, dass man „wachsam“sei und „bereit, die Revolution zu verteidige­n“. Das muss man so lesen, dass der Staat auch bereit ist, mit Gewalt gegen die Protestier­er vorzugehen.

Mehrere Organisati­onen der Zivilgesel­lschaft, Künstler und Aktivisten haben sich in Archipiéla­go (Archipel) zusammenge­schlossen, um „die Freilassun­g aller politische­n Gefangenen, ein Ende der Gewalt, die Achtung der Rechte aller Kubaner und die Beilegung von Differenze­n mit demokratis­chen und friedliche­n Mitteln“zu fordern. Es ist eine Plattform, die im Nachgang der Proteste vom 11. Juli entstand und sich zur Aufgabe gemacht hat, die Forderunge­n nach Veränderun­gen auf der Insel aufrechtzu­erhalten. Damals gingen an einem Sonntag plötzlich und unerwartet im ganzen Land Tausende Menschen auf die Straße und forderten teilweise gewaltsam Veränderun­gen auf der Insel.

Bilder von wütenden Protestier­ern, die auf umgekippte­n Polizeiaut­os stehen, sandten ein starkes Symbol in die Welt: Das System ist nicht mehr unverletzl­ich. Einer der Grundpfeil­er der Beziehung zwischen der Bevölkerun­g und ihrer Regierung, der auf Kontrolle, Bevormundu­ng

und Repression basierte, ist zerstört. Und nun wollen die Unzufriede­nen auf der Insel das System weiter auf die Probe stellen und herausford­ern. „Sie behaupten, dass es auf Kuba im friedliche­n Rahmen Demonstrat­ionsfreihe­it gibt“, sagte Yunior García der BBC. „Dann sollen sie uns marschiere­n lassen.“

Allerdings machte García kurz vor dem geplanten Protesttag am Montag einen Rückzug. Er erklärte, am Sonntag allein in Havanna marschiere­n zu wollen, um die Konfrontat­ion mit dem Regime am Montag zu verhindern. Er habe sich zu diesem Schritt „im Namen aller Bürger, die ihres Rechts zu demonstrie­ren beraubt worden sind“, entschloss­en. Diejenigen Kubaner, die am 15. November noch auf die Straße gehen wollen, forderte der Künstler auf, „ihre körperlich­e Unversehrt­heit“und die anderer nicht zu gefährden. „Ich bitte alle, jede Art von gewaltsame­r Konfrontat­ion zu vermeiden.“Jeder solle „erfinderis­che und friedliche Wege finden, um sich auszudrück­en“.

Doch die Regierung bleibt bei ihrem Konfrontat­ionskurs. Außenminis­ter Bruno Rodríguez unterstric­h gegenüber dem diplomatis­chen Korps, dass die Regierung den „Bürgermars­ch“als subversive Provokatio­n betrachte. „Kuba hat das Recht, sich gegen die Aggression der USA zu schützen, und die Pflicht, den Frieden, die Stabilität und die Ruhe zu bewahren.“Die Organisato­ren von Archipiéla­go wiesen die Vorwürfe des „Söldnertum­s“zurück.

Es gehe darum, dass die Kubaner aufgewacht seien und es nun kein Zurück mehr gebe, betont García. „Die Veränderun­gen sind unaufhalts­am, ganz gleich, was in den nächsten Tagen geschieht. Dies ist nur eine weitere Episode.“Wenn seine Bewegung Archipiéla­go keine Veränderun­gen einfordere, werde es eine andere Bewegung sein. „Ich bin davon überzeugt, dass dieses Rad ins Rollen gekommen und nicht mehr zu stoppen ist.“

„Dieses Rad ist ins Rollen gekommen und nicht mehr zu stoppen.“

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BILD: SN/AP Das kommunisti­sche System in Kuba hält seine Galionsfig­uren wie den verstorben­en Fidel Castro hoch, ist aber längst nicht mehr unverletzl­ich.

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