Salzburger Nachrichten

Ist bald basta mit der Pasta?

Versorgung­sengpässe wegen Missernten bei Hartweizen bringen die Nudelherst­eller unter Druck. Die Auswahl in den Supermarkt­regalen könnte kleiner werden.

- SN, APA/Reuters

Italien ohne Pasta? Schwer vorstellba­r. Doch die Nudelherst­eller müssen sich nach dem Preisschoc­k für die wichtigste Zutat Hartweizen in den kommenden Monaten auf einen erhebliche­n Versorgung­sengpass einstellen. „Was die Preise und die Knappheit von Hartweizen angeht, steht das Schlimmste vielleicht noch bevor“, warnt Analystin Séverine Omnes-Maisons vom Agrarforsc­hungsinsti­tut Strategie Grains.

Einige Verarbeite­r laufen Gefahr, in den kommenden Monaten ihre Produktion stoppen zu müssen. Wie konnte es dazu kommen? „Durch die Missernte im Hauptexpor­tland Kanada, aber auch in Frankreich und anderen Teilen der Welt fehlen auf dem Weltmarkt geschätzt zwei bis drei Millionen Tonnen auf einem seit bereits Jahren eng versorgten Markt“, erklärt der Geschäftsf­ührer des deutschen Verbands der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirt­schaft (VGMS), Peter Haarbeck, die Misere. Heuer sei die Weltproduk­tion von Durum, wie die besonders für elastische und formbare Teige geeignete Weizenart genannt wird, auf ein 20-JahresTief gesunken. „Hartweizen ist verzweifel­t gesucht“, fasst Haarbeck die Lage zusammen.

Auf Kanada entfallen normalerwe­ise zwei Drittel des weltweiten Hartweizen­handels. Durch die extreme Hitze und Dürre in diesem

Jahr fiel die Ernte dort um fast 50 Prozent geringer aus als 2020. Das treibt den Preis: An den Börsen war Hartweizen zuletzt so teuer wie seit 13 Jahren nicht mehr.

Italienisc­he Nudelherst­eller können normalerwe­ise ihren Bedarf zu einem großen Teil mit der inländisch­en Hartweizen­ernte decken. Doch auch in Italien mussten die Ernteprogn­osen zurückgesc­hraubt werden: Die EU-Kommission senkte im Oktober ihre Schätzung von 4,3 auf 3,7 Millionen Tonnen. Hinzu kommt, dass die weltweiten Hartweizen­vorräte ausgerechn­et jetzt auf einem Sechs-Jahres-Tief liegen. Das liegt auch daran, dass die Nachfrage nach Nudeln wegen der Coronapand­emie stark stieg. Viele Verbrauche­r haben sich Vorräte angelegt, um für einen Lockdown oder eine Quarantäne gewappnet zu sein. All das hat dazu geführt, dass sich die Exportprei­se für Hartweizen seit Juni fast verdoppelt haben.

Italienisc­he Nudelherst­eller machen sich deshalb Sorgen um die Verfügbark­eit des begehrten Rohstoffs in der ersten Hälfte 2022. „Die

Situation wird noch dramatisch­er sein als jetzt, denn im Moment können wir heimischen Weizen finden“, sagt Vincenzo Divella, Geschäftsf­ührer der italienisc­hen Nudelmarke Divella. „Die Situation bei Hartweizen ist sehr ernst.“

Das dürfte auch in Deutschlan­d spürbar sein. „Die Nudelregal­e im Supermarkt werden in den kommenden Monaten nicht leer sein“, sagt Verbandsch­ef Haarbeck. „Das Angebot wird aber schon jetzt deutlich kleiner.“Derzeit müssten Hersteller nicht nur mit teils drastisch gestiegene­n Rohstoffko­sten kalkuliere­n, auch für Energie, Logistik und Transport, aber auch für Verpackung­smateriali­en müsse viel mehr gezahlt werden. „All das werden Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r spüren“, sagt Haarbeck.

Für Analystin Omnes-Maisons deuten ungünstige Ernteberic­hte in Kanada darauf hin, dass die offizielle Schätzung für die Hartweizen­produktion im Dezember erneut gesenkt werden könnte. Gehe es darum, den Importbeda­rf und Exporte in Einklang zu bringen, sei Hartweizen die größte Herausford­erung, sagt Rhyl Doyle, Leiter des Exporthand­els beim kanadische­n Agrarspezi­alisten Paterson Grain.

Wie Kanada werden auch die USA in diesem Jahr einen Produktion­srückgang um etwa die Hälfte verzeichne­n. Auch dort hat eine ungünstige Wetterlage die Erträge geschmäler­t. „Der Anstieg des Hartweizen­preises ist ein Symptom des Klimawande­ls“, betont Alberto Cartasegna, Geschäftsf­ührer der Firma Miscusi, die ein Dutzend Restaurant­s in Italien betreibt.

Experten gehen davon aus, dass die höheren Preise für Nudeln die Nachfrage in den wohlhabend­en europäisch­en Ländern dämpfen wird. Viel härter aber trifft es die Schwellenl­änder. Die nordafrika­nischen Haushalte müssen mit einem Preisansti­eg von etwa einem Viertel für mit Hartweizen­grieß hergestell­tes Brot rechnen. Auch Couscous und Bulgur werden aus Durum hergestell­t. „Wir haben keine andere Wahl, als die Preise zu erhöhen, um die Kosten zu decken“, sagt Abdelaziz Bouchireb, ein algerische­r Bäcker. Die Türkei, ein wichtiger Teigwarene­xporteur, hat Anfang des Jahres die Vorschrift­en gelockert, um den maximal zulässigen Anteil von normalem Weizen in den begehrten Produkten von 30 auf 100 Prozent zu erhöhen.

Selbst in den wohlhabend­en Ländern könnten die privaten Haushalte den Kostendruc­k zu spüren bekommen. Laut dem Marktdaten­spezialist­en Nielsen sind die Supermarkt­preise für preisgünst­ige Nudelmarke­n – die am stärksten von den Rohstoffko­sten abhängig sind – in Frankreich allein im Oktober um fast 20 Prozent zum Vorjahresm­onat gestiegen.

„Hartweizen ist verzweifel­t gesucht.“

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BILD: SN/ADOBE STOCK
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Peter Haarbeck, Geschäftsf­ührer VGMS

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