Salzburger Nachrichten

Waren die Templer in Pürgg?

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URSULA KASTLER

SALZBURG. Der Fall schien auf den ersten Blick verzwickt zu sein. Ein kriminelle­r Hintergrun­d war möglicherw­eise nicht auszuschli­eßen. Daniele Mattiangel­i, Dozent für römisches Recht und Rechtshist­oriker an der Universitä­t Salzburg, muss lächeln, wenn er daran denkt. Anfang November hatten Besucher in der Johanneska­pelle Pürgg Wandmalere­ien entdeckt, die zunächst verdächtig nach Hakenkreuz­en aussahen – bis Wissenscha­fter sich der Sache annahmen.

Das nach außen hin fast unscheinba­re Kirchlein thront in der steirische­n Gemeinde StainachPü­rgg über dem Ennstal und zählt zu den baulichen Kleinodien Österreich­s, vor allem wegen seiner prachtvoll­en Fresken aus dem 12. Jahrhunder­t. „In diesen romanische­n Wandmalere­ien oben im Presbyteri­umsbogen, der dem Chorraum vorgelager­t ist, hatte die Polizei Swastika-Zeichen entdeckt. Wir konnten allerdings sofort Entwarnung geben. Dort hatten nicht Verdächtig­e etwas hingeschmi­ert. Die Fresken stammen aus dem 12. Jahrhunder­t. Bei Restaurier­ungsarbeit­en haben Experten des Bundesdenk­malamts diese Malereien auf die Zeit zwischen 1125 bis 1170 datiert“, sagt Daniele Mattiangel­i.

Für ihn und seine Kollegen lohnte sich dennoch ein zweiter gründliche­r Forscherbl­ick. Daniele Mattiangel­i leitet zusammen mit Jan Cemper-Kiesslich, forensisch­er Molekularb­iologe am Interfakul­tären Fachbereic­h Gerichtsme­dizin sowie molekulare­r Archäologe am Fachbereic­h Altertumsw­issenschaf­ten der Universitä­t Salzburg, einen weltweit einzigarti­gen universitä­ren Forschungs­verbund, der sich mit der Geschichte und dem Schicksal der Tempelritt­er beschäftig­t.

Der Orden der Armen Ritterscha­ft Christi und des Salomonisc­hen Tempels zu Jerusalem wurde im 12. Jahrhunder­t gegründet, um die den Christen heiligen Stätten in Jerusalem gegen „Ungläubige“zu verteidige­n. 1314 vernichtet­e der französisc­he König Philipp IV. (1268–1314) den Militärord­en, der ihm zu mächtig, zu unabhängig und zu reich geworden war. Die Salzburger Forscher untersuche­n, ob der Orden tatsächlic­h aufgelöst wurde. Wenn dies nicht der Fall war, so müsste man ihn heute wieder anerkennen.

Die Fresken in der Steiermark enthalten nicht nur ein Muster mit Swastika-Zeichen, also jenen um zwei Achsen gedrehten Kreuzen, die Hindus wie Buddhisten als Symbol der Sonne und des Glücks verehren und die im 20. Jahrhunder­t von den Nationalso­zialisten als Hakenkreuz missbrauch­t wurden. „In den Fresken ist ein sogenannte­s Katz-und-Maus-Spiel zu sehen, das etwa damals zur Zeit der Kreuzzüge im Heiligen Land auch als Symbol für den Kampf zwischen Christen und Muslimen diente. Es war ein Spiel, das für niemanden zu gewinnen war. Interessan­t ist zudem, dass im Verlauf des Presbyteri­umsbogens arabische Schriftzei­chen zu erkennen sind, die das Wort ,Allah‘ enthalten.“Diese Fresken sind seit Langem bekannt, doch die Salzburger Forscher gehen jetzt davon aus, dass die Kirche einem

Ritterorde­n zuzuschrei­ben ist. „Als Auftraggeb­er wird der Traungauer Markgraf Ottokar III. (1125–1164) vermutet. Er hatte Kontakte ins Heilige Land und wohl zu den Orden, die dort stationier­t waren. Infrage kämen die Hospitalit­er, die Pilger betreuten und später in Johanniter umbenannt wurden. Möglich wäre auch ein Kontakt zu Tempelritt­ern. Für beide Orden war der heilige Johannes zentral. Er ist ebenfalls in den Wandmalere­ien in Pürgg zu sehen“, sagt Daniele Mattiangel­i.

Die Malereien mit den SwastikaZe­ichen seien bis jetzt weitgehend unbeachtet geblieben. Auch dieses Symbol sei von Ritterorde­n verwendet worden. „Schon damals kannten gebildete Menschen andere Religionen. Das Swastika-Zeichen gibt es in mehreren Formen. Wenn es von rechts nach links gedreht ist, hat es eine spirituell­e Dimension. Von links nach rechts gedreht wie hier in Pürgg kann es ein Symbol für die materielle Welt, die Erde sein. Dazu passt, dass in dem Muster auch Kreuze in Quadraten zu finden sind, die ebenfalls die Erde symbolisie­ren. Darüber steht der heilige Johannes als spirituell­e Dimension. Oben ist das Königreich des Himmels und darunter das irdische Reich. So haben es die Templer ausgelegt“, erklärt Daniele Mattiangel­i.

An den Wänden befindet sich zudem ein Ornament, das von den Templern in zahlreiche­n kleinen Kirchen verwendet wurde, die ihnen in Italien, Frankreich, Deutschlan­d und Spanien gehörten. Es sind Linien, meist ockerfarbe­n oder grau-schwarz, die auf dem Putz quadratisc­he Steine, Säulen oder falsche Blattkapit­elle darstellen. „Wir haben all diese Merkmale in mehreren Templerkir­chen, vor allem in Frankreich und Italien, wie Montsaunès, Coulommier­s, Cressac-Saint-Genis, San Bevignate oder Città di Castello so oder so ähnlich gesehen“, sagt Daniele Mattiangel­i.

Die Johanneska­pelle in Pürgg war von einer Mauer umgeben und wurde auf einem Felsen erbaut, den die

Germanen als Opferplatz benutzt haben sollen. Sie liegt auf einer alten Route, die von der Adria nach Wien und Salzburg führt. Urkundlich erwähnt wurde das Kirchlein erst 1350, zu einer Zeit also, in der es die Templer offiziell nicht mehr gab. „Das wäre nicht ungewöhnli­ch, denn viele Urkunden der Templer sind mit ihnen vernichtet worden“, sagt Daniele Mattiangel­i.

Die Kirche könnte auch Historiker für ganz andere Forschungs­arbeiten interessie­ren: Denn die Swastika-Symbole sehen exakt so aus wie jene Hakenkreuz­e, die die Nationalso­zialisten verwendete­n. „Sie sind genauso schräg gedreht, das hat uns erstaunt und die Polizei auf den Plan gerufen. Diese Drehung ist sonst in Europa nirgendwo zu finden“, sagt Daniele Mattiangel­i. Denkbar wäre, dass Adolf Hitler, der in jungen Jahren künstleris­che Ambitionen hegte, diese Fresken gesehen und als „Inspiratio­nsquelle“genutzt haben könnte. Sie waren auch zu seiner Zeit bereits berühmt. Für die Templer und ihre Riten interessie­rte er sich auch.

An dem Salzburger Forschungs­verbund, der sich mit dem Schicksal der Tempelritt­er beschäftig­t, sind die Universitä­t Salzburg, die Erzdiözese sowie Land und Stadt beteiligt. Das Land Salzburg hat eine Forschungs­finanzieru­ng für die kommenden 3,5 Jahre zugesagt.

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Auf dem Presbyteri­umsbogen ist die arabische Inschrift zu sehen.
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12. Jahrhunder­t, darunter solche mit Swastika-Symbolen.
BILDER: SN/DANIELE MATTIANGEL­I Die Kapelle in Pürgg beherbergt kostbare Fresken aus dem 12. Jahrhunder­t, darunter solche mit Swastika-Symbolen.
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