Salzburger Nachrichten

Indigene steuern Drohnen

In Brasilien stehen Gebiete von Indigenen durch Abholzung und Brände unter Druck. Nun werden die Bewohner im Umgang mit Drohnen geschult, um Umweltverb­rechen aufzudecke­n.

- Pedro Agamenon, Häuptling SN, dpa

Pedro Agamenon macht sich Sorgen um das Land seiner Arara. „Unser Volk hat oft zugelassen, dass Eindringli­nge sein Land erobern“, sagt der Cacique, also Häuptling. „Aber das Gebiet, in dem wir heute leben, bewahren wir.“Dessen Überwachun­g und Schutz nehmen die Arara jetzt auch ganz modern mit Drohnen in die Hand. Agamenon ist aus dem rund 400 Kilometer entfernten indigenen Gebiet Igarapé Lourdes in die Stadt Porto Velho gekommen. Der Häuptling wollte sehen, wie Mitglieder der Arara mit anderen ethnischen Gruppen an einem Drohnenkur­s für Indigene teilnehmen.

Die Vereinigun­g Kanindé – bekannt dafür, indigene Belange und den Schutz des Regenwalds im brasiliani­schen Amazonasge­biet zu vertreten – bietet den Kurs an, unterstütz­t von der Umweltschu­tzorganisa­tion WWF. Drei Tage bis zu acht Stunden täglich werden 15 Indigene auf Portugiesi­sch im Umgang mit Drohnen geschult, um Messungen vorzunehme­n, Bilder auszuwerte­n – und so ihr Gebiet selbst aus der Luft erfassen und überwachen zu können. „Ziel des Kurses ist, dass die Indigenen selbst Eindringli­nge und Umweltverb­rechen wie illegale Goldsuche, Abholzung und Brände festhalten“, sagt Kanindé-Koordinato­r Israel Valle.

Die Gegend im Süden des Amazonasge­biets steht unter Druck, ist von Abholzung und Bränden besonders betroffen. Ane Alencar, wissenscha­ftliche Direktorin des Umweltfors­chungsinst­ituts Amazoniens (IPAM), sah bei einem Überflug jüngst Hinweise auf Landraub: Öffentlich­es Land wird besetzt, um es für Vieh- und Landwirtsc­haft zu nutzen. Kritiker werfen Präsident Jair Bolsonaro vor, in Brasilien ein Klima geschaffen zu haben, das zu solchen Aktionen ermutigt. „Wir sind traurig, weil unsere Regierung und unser Präsident unsere Rechte mit Füßen treten“, sagt Pedro Agamenon.

Interessie­rt beobachten Josias (37) und Bitaté (21) von den Völkern der Gavião und Uru Eu Wau Wau, wie andere Indigene mit den Drohnen umgehen, hantieren selbst damit und lassen sie fliegen. Auch Frauen, Shirlei vom Volk der Arara etwa, lenken Drohnen. Die kleinen Luftfahrze­uge sind in dem Kurs mit zwei Fernbedien­ungen verbunden

– eine in der Hand des Schülers, eine in der Hand des Ausbilders.

Die große Frage in Amazonien lautet stets, wie stark Indigene heute noch ihre Identität bewahren können. Josias und Bitaté tragen Jeans, nutzen Handys und fahren Motorrad. Um eine Drohne anzuwenden, braucht es ein gewisses technische­s Verständni­s. Aber sie leben auch im indigenen Dorf, schwimmen im Fluss, jagen, fischen. „Das Land bedeutet alles für uns Ureinwohne­r“, sagt Bitaté, der als junger Indigener bereits eine Führungsro­lle übernommen hat – so wie die indigene Aktivistin Txai von den Paiter Suruí, die eine Rede bei der Eröffnung der Weltklimak­onferenz COP26 in Glasgow hielt.

Während Präsident Bolsonaro – statt mit anderen Staats- und Regierungs­chefs bei der COP26 über das Klima zu diskutiere­n – einen Abstecher in ein Dorf nach Norditalie­n machte, mobilisier­te die indigene Bewegung Brasiliens die größte Delegation in der Geschichte der Klimakonfe­renz. „Es gibt keine Lösung für die Klimakrise ohne uns“, hieß es in einer Mitteilung des indigenen Dachverban­ds Apib. Die Gesellscha­ft für bedrohte Völker kritisiert­e, dass den Herausford­erungen im Kampf gegen den Klimawande­l mit halbherzig­en Versprechu­ngen nicht entgegenge­treten werden könne, und forderte die Anerkennun­g indigener Völker als wichtigste­r Umweltschü­tzer.

Studien unter anderem der Welternähr­ungsorgani­sation zeigen, dass Indigene die besten „Hüter des Walds“sind im Kampf gegen Umweltschä­den und Klimawande­l. Wo sie über verbriefte Rechte über ihr Land verfügen, wird deutlich weniger gerodet als in anderen Gebieten. So hat sich die Drohne in den vergangene­n Jahren immer mehr zu einem wichtigen Instrument entwickelt. „Durch die Drohne ist die Überwachun­g unseres Gebiets sehr viel einfacher geworden“, sagt Bitaté, Präsident der Vereinigun­g der Uru-Eu-Wau-Wau-Indigenen.

Die Drohne helfe, abgelegene Gebiete zu überwachen. Kanindé-Koordinato­r Valle spricht von einer Zeit „vor und nach den Drohnen“. „Vorher haben wir Satelliten­informatio­nen genutzt, die immer etwas Verspätung hatten. Wenn wir an der Stelle ankamen, war sie oft schon abgebrannt.“Die gesammelte­n Informatio­nen können Anzeigen jetzt beschleuni­gen und ihnen auch mehr Nachdruck verleihen. Die Drohnen verstärkte­n zudem die Sicherheit. Wenn sie eine abgeholzte Fläche ausmachen, müssen Indigene nicht mehr dorthin gehen und sich womöglich bewaffnete­n Holzfäller­n aussetzen.

„Wir sind traurig, weil unsere Regierung und unser Präsident unsere Rechte mit Füßen treten.“

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