Salzburger Nachrichten

Der bevölkerun­gsreichste Kontinent der Erde ist dabei, den Westen zu überholen.

- FELIX LILL TOKIO.

„Japan hat seinen ersten Fall der Omikron-Variante“, berichtete der japanische Radiosende­r NHK. Umgehend macht das Land wieder seine Grenzen dicht. Einmal mehr weicht eine zaghafte Öffnung großer Vorsicht.

Dabei gehört Japan derzeit zu jenen Ländern, auf die der Rest der Welt mit Neid blickt. Die Sieben-Tage-Inzidenz beträgt 0,5. Ein wichtiger Grund für die gute Lage ist die kontinuier­lich steigende Impfquote, die nun bei 77 Prozent liegt. Im Juli war noch kaum ein Drittel geimpft.

Japan ist legen kein Einzelfall. Allgemein die Länder Ost- und

Südostasie­ns ein hohes Impftempo vor und holen ihren Rückstand auf. Südkorea hat mittlerwei­le einen Impfanteil von knapp 80 Prozent. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 50. Im autoritär regierten Stadtstaat Singapur sind 92 Prozent geimpft, die Inzidenz von 174 ist dort alarmieren­d. Aber ohne Impfen läge sie deutlich höher.

Es sind nicht nur die reichen Länder Asiens, die beim Impfen voranschre­iten. Malaysia und Thailand haben mit Anteilen von 77 und 59 Prozent die USA erholt. Vietnam liegt mit einem Anteil von 50 Prozent nur noch knapp dahinter. Kambodscha, laut UN eines der ärmsten Länder der Welt, hat bereits 78 Prozent seiner Bevölkerun­g geimpft. Die Philippine­n, wo anfangs wegen vorangegan­gen Problemen mit einer Impfung gegen Dengue-Fieber große Skepsis bestand, holen ebenfalls auf. Zumindest 40 Prozent sind vollständi­g geimpft.

Auch die zwei mit großem Abstand bevölkerun­gsreichste­n Länder der Erde – China und Indien mit je 1,4 Milliarden Einwohnern – haben bereits einen Großteil der Bevölkerun­g geimpft. Während in China eigens im Land entwickelt­e Vakzine verwendet werden, baut Indien auf AstraZenec­a, das in Lizenz

produziert wird. China hat bisher offiziell 2,33 Milliarden Dosen verimpft, Indien 1,22 Milliarden. Der Weg zu höheren Impfquoten ist unterschie­dlich. In Japan sind es öffentlich­e Kampagnen mit prominente­n Personen sowie ein steigendes Gefühl des Gruppenzwa­ngs. In Singapur kündigte die Regierung an, Ungeimpfte­n eine Spitalsbeh­andlung wegen Covid-19 in Rechnung zu stellen. Auf den Philippine­n drohte Präsident Rodrigo Duterte schon Verhaftung­en an. In China werden mit Kino- und Einkaufsgu­tscheinen Anreize gemacht, zudem kontrollie­ren Nachbarsch­aftskomite­es

Eine grobe Tendenz ist aber, dass die Frage weniger polarisier­t als im reichen Westen. Ein Impfstoff wird als Chance gesehen, weniger als Bedrohung oder Anmaßung.

Die Impffortsc­hritte in Asien sind gute Nachrichte­n für die ganze Welt. Es ist der mit Abstand bevölkerun­gsreichste Erdteil. Weder gesundheit­snoch wirtschaft­spolitisch ist ohne Asien eine Erholung von der Pandemie denkbar.

Dieser Tage kündigte der japanische Pharmaziek­onzern Shionogi an, man arbeite an einem Impfstoff gegen die Omikron-Variante. Bisher hat die Pharmaindu­strie Japans die Pandemie eher verschlafe­n. Sollte sich das ändern, wäre das einer Bekämpfung von Covid-19 mit all seinen Varianten äußerst dienlich.

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