Abgrenzung von Journalismus zu Werbung ist eine Existenzfrage
Es ist ein uralter Dreikampf zwischen Anzeigenabteilung und Redaktion: Statt offenkundiger Werbung bevorzugen viele Auftraggeber sogenannte PR-Texte, die journalistischen Artikeln möglichst gleichen sollen. Seriöse Medien kennzeichnen solche Annoncen schon dadurch, dass für sie nicht die redaktionell verwendeten Schrifttypen verwendet werden. Darüber hinaus etikettieren sie das Ganze als „Anzeige“oder „entgeltliche Einschaltung“. Analog verweisen TV-Sender auf „Produktplatzierung“– von der Kleidung der Moderatoren bis hin zu Getränken im Studio. Dennoch haben viele Konsumenten wenig Ahnung, was es damit auf sich hat. Auch die zeitgeistige Ausschilderung als „Advertorial“oder „Gesponsert“ist keine Stütze der Identifizierbarkeit. Je nach Plattform und Art der Kennzeichnung bemerken bis zu 60 Prozent der Leser, Seher, Hörer, Nutzer nicht, wenn es sich um einen bezahlten Beitrag handelt.
Diesem Ergebnis einer neuen Untersuchung der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) fehlt der wahre Neuigkeitswert. Schon vor vier Jahren kam eine Studie der Uni Zürich zum Ergebnis: „Jugendliche erkennen Native Advertising nicht als Werbung.“Das heißt: Die Täuschung funktioniert bei Jung und Alt. Aktuelles Fazit der ZHAW: „Dabei wäre eine bessere Erkennung von gesponserten Inhalten nicht nur wichtig für die Beurteilung des Informationsgehalts und der Glaubwürdigkeit, sondern auch für die Transparenz und Unabhängigkeit des Journalismus. Die Mauer zwischen Publizistik und Kommerz bröckelt.“Die Native Ads gefährden das Medienvertrauen.
Das Gegensteuern ist also eine Existenzfrage. Herkömmliche Medien müssen damit bei sich selbst beginnen. Die Abgrenzung redaktioneller Inhalte gegenüber bezahlten Einschaltungen ist so wichtig wie die Unterscheidung von Bericht und Kommentar. Das Erscheinungsbild spielt dabei die größte Rolle. Auf Grundlage dieses Vorbilds können Plattformen wie Google, Facebook und Twitter in die
Pflicht genommen werden. Das funktioniert aber – wenn überhaupt – nur auf europäischer Ebene.
Auf nationaler Ebene hingegen lässt sich der Kehrseite dieses Missstands begegnen: Medienkompetenz darf nicht bloß eines von zehn Unterrichtsprinzipien quer durch den Fächerkanon bleiben. Insbesondere ihre inhaltlichen Aspekte sind ein Hauptfach für die Zukunftsfähigkeit jeder Gesellschaft. Wo eine Mehrheit nicht mehr zwischen Fakten und Meinungen oder journalistischen Artikeln und bezahlter Werbung unterscheiden kann, ist die Demokratie gefährdet.