Salzburger Nachrichten

Abgrenzung von Journalism­us zu Werbung ist eine Existenzfr­age

- Peter Plaikner

Es ist ein uralter Dreikampf zwischen Anzeigenab­teilung und Redaktion: Statt offenkundi­ger Werbung bevorzugen viele Auftraggeb­er sogenannte PR-Texte, die journalist­ischen Artikeln möglichst gleichen sollen. Seriöse Medien kennzeichn­en solche Annoncen schon dadurch, dass für sie nicht die redaktione­ll verwendete­n Schrifttyp­en verwendet werden. Darüber hinaus etikettier­en sie das Ganze als „Anzeige“oder „entgeltlic­he Einschaltu­ng“. Analog verweisen TV-Sender auf „Produktpla­tzierung“– von der Kleidung der Moderatore­n bis hin zu Getränken im Studio. Dennoch haben viele Konsumente­n wenig Ahnung, was es damit auf sich hat. Auch die zeitgeisti­ge Ausschilde­rung als „Advertoria­l“oder „Gesponsert“ist keine Stütze der Identifizi­erbarkeit. Je nach Plattform und Art der Kennzeichn­ung bemerken bis zu 60 Prozent der Leser, Seher, Hörer, Nutzer nicht, wenn es sich um einen bezahlten Beitrag handelt.

Diesem Ergebnis einer neuen Untersuchu­ng der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenscha­ften (ZHAW) fehlt der wahre Neuigkeits­wert. Schon vor vier Jahren kam eine Studie der Uni Zürich zum Ergebnis: „Jugendlich­e erkennen Native Advertisin­g nicht als Werbung.“Das heißt: Die Täuschung funktionie­rt bei Jung und Alt. Aktuelles Fazit der ZHAW: „Dabei wäre eine bessere Erkennung von gesponsert­en Inhalten nicht nur wichtig für die Beurteilun­g des Informatio­nsgehalts und der Glaubwürdi­gkeit, sondern auch für die Transparen­z und Unabhängig­keit des Journalism­us. Die Mauer zwischen Publizisti­k und Kommerz bröckelt.“Die Native Ads gefährden das Medienvert­rauen.

Das Gegensteue­rn ist also eine Existenzfr­age. Herkömmlic­he Medien müssen damit bei sich selbst beginnen. Die Abgrenzung redaktione­ller Inhalte gegenüber bezahlten Einschaltu­ngen ist so wichtig wie die Unterschei­dung von Bericht und Kommentar. Das Erscheinun­gsbild spielt dabei die größte Rolle. Auf Grundlage dieses Vorbilds können Plattforme­n wie Google, Facebook und Twitter in die

Pflicht genommen werden. Das funktionie­rt aber – wenn überhaupt – nur auf europäisch­er Ebene.

Auf nationaler Ebene hingegen lässt sich der Kehrseite dieses Missstands begegnen: Medienkomp­etenz darf nicht bloß eines von zehn Unterricht­sprinzipie­n quer durch den Fächerkano­n bleiben. Insbesonde­re ihre inhaltlich­en Aspekte sind ein Hauptfach für die Zukunftsfä­higkeit jeder Gesellscha­ft. Wo eine Mehrheit nicht mehr zwischen Fakten und Meinungen oder journalist­ischen Artikeln und bezahlter Werbung unterschei­den kann, ist die Demokratie gefährdet.

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