„Der Appetit auf Skifahren ist riesig“
Die Coronakrise hat in der Skiindustrie eine Delle verursacht. Für diesen Winter lief die Produktion aber wieder auf Hochtouren. „Die Menschen wollen raus, raus, raus“, sagt Atomic-Chef Wolfgang Mayrhofer.
Nicht selten wurde das Skifahren schon totgesagt. Das Gegenteil ist eingetreten. „Wir hatten lange keinen so großen Appetit auf Skifahren wie jetzt“, sagt Wolfgang Mayrhofer, Atomic-Chef und Sprecher der österreichischen Skiindustrie. Über die Bühne geht bald auch das ersehnte Olympia in China.
Wolfgang Mayrhofer: Wir hoffen, dass sich noch ein, so gut es geht, normaler Winter entwickeln wird. Die Skilifte können mit 2G-Regel auch im Lockdown fahren. Und wir hoffen, dass in Deutschland und Österreich die Impfquoten nach oben gehen und die Leute ihren geliebten Skisport ausüben können. Zuletzt hatten wir einen spürbaren Aufschwung, es wäre schade, wenn der gefährdet wird.
Wir hoffen alle auf einen kurzen Lockdown. Aber ich sehe danach eine einigermaßen gute Wintersaison auf uns zukommen. Es sieht in den Märkten, etwa Italien oder Frankreich, sehr gut aus.
Natürlich gab es eine Delle. Anfang des Jahres hatten alle Skihersteller drei Monate Kurzarbeit, dann sind wir mit Highspeed zurückgekommen und haben im Sommer durchgearbeitet. Die Aufträge aus Nordamerika, aber auch Japan und China waren so stark, dass der Einbruch in Europa ausgeglichen wurde. Wir müssen mittlerweile schauen, dass wir die Sachen, die wir schon verkauft haben, rechtzeitig herbekommen. Die Gefahr, dass wir zu viel Ware hätten, besteht nicht, die großen Händler sind auf der Jagd nach Produkten.
Warum boomt das Skifahren speziell in den USA so stark?
Raus in die Natur ist generell ein starker Trend. Es ist eine gewisse Coronabeschleunigung eingetreten, die Leute wollen an die Luft – im Sommer wandern und radeln, im Winter auf Touren- und Langlaufski in die Berge. Wir hatten lange keinen so großen Appetit auf Skifahren und Outdoor wie jetzt.
Also die Ansage, man werde auf das Weltvolumen von
3,3 Millionen Paar Ski zurückkehren, ist ernst gemeint?
Ja, wir gehen in diese Richtung, es mögen vielleicht ein paar Hunderttausend
weniger sein, aber in den USA fangen Leute Ski zu fahren an, und das nicht wenige. Wir haben selbst nicht geglaubt, dass der Markt dort wieder zulegt.
Wir haben ein bisschen mehr als die Hälfte, jeder zweite Ski kommt von einer österreichischen Marke. Dieses Verhältnis lässt sich auch auf den Umsatz umlegen. Tourenskiprodukte legen am stärksten zu.
Ja, der Punkt ist, dass in den großen Kernmärkten wie Österreich oder Süddeutschland die Leute nicht mehr nur Alpin-, sondern auch Tourenski haben. Tourengehen ist mittlerweile für jeden möglich – am Rand der Piste ohne Lawinengefahr und ohne bei der Abfahrt ein Tiefschneekönig sein zu müssen. Und Tourengehen passt zum Ausdauersport – beim Raufgehen kann ich mich auspowern, beim Runterfahren habe ich den Genuss.
Der große Langlaufmarkt ist natürlich in Skandinavien, der letzte Winter dort war sehr gut. Aber die großen Langlaufzentren dort sind mittlerweile genauso beschneit wie die Pisten bei uns. Auch in Ramsau oder Seefeld gibt es schon beschneite Loipen.
Natürlich gibt es Innovationen, aber die sind viel differenzierter geworden. Bei Atomic haben wir in den vergangenen beiden Jahren die Revo-Shock-Technologie entwickelt, die jetzt mit Mikaela Shiffrin im Weltcup ist. Diese Innovation unterstützt schnelle und geschnittene Schwünge. Es sind Flexistahlmodule eingearbeitet, die den Ski gut dämpfen, aber trotzdem beschleunigen. Wenn du den Ski richtig auf der Kante fährst, hast du ein supergeiles Gefühl. Und bei den Tourenski geht es weiter in Richtung noch leichter.
Einen Teil müssen wir kompensieren, das ist klar. Aber es sind keine dramatischen Erhöhungen, vielleicht 50 Euro mehr für das Paar, und beim Top-Rennmodell sind es vielleicht 100 Euro. Das ist aber schon das Maximum.
Natürlich. Bis 2025 wird China eine Größe haben wie ein großer europäischer Skimarkt, etwa Frankreich. Wir rechnen mengenmäßig mit mehr als einer Verdreifachung von jetzt rund 120.000 Paar auf dann 320.000 bis 380.000 Paar Ski.
Es wird in China viel in Skigebiete investiert, es ist dort sehr kalt, man kann gut Schnee machen. Skifahren ist exotisch und gefragt. Wir kämpfen jetzt darum, dass dieser Trend nachhaltig wird. Die Infrastruktur passt. Mit den neuen Highspeedzügen ist man von Peking, wo im Speckgürtel an die 40 Millionen Menschen wohnen, in 45 Minuten in den Skibergen. Das ist eine Strecke wie München–Flachau.
Nein, unsere Zulieferer sind in Österreich und den Nachbarländern. Als Skihersteller sind wir eine kleine Industrie, und China ist ein Nebenschauplatz, der für eine eigene Produktion zu klein ist. Den können wir von Europa aus gut bedienen.
Nein, dazu gibt es viel zu viel Begeisterung für das Skifahren. Und es gibt ja auch genug Angebote, die es deutlich billiger machen. Die Qualität unserer Skigebiete ist enorm, und die Saison ist länger geworden. Früher ist niemand von uns Ende November Ski gefahren, jetzt ist in Flachau in 76 Stunden der Berg beschneit. Dass in den Alpen 76 Prozent aller Skiabfahrten beschneit sind, hat den Skifabriken Planungssicherheit gegeben, das war vor 15 Jahren noch nicht so. Wenn wir Pech mit Naturschnee hatten, hat es geraschelt. Die Investitionen in den Skigebieten haben allen geholfen.