Salzburger Nachrichten

Mit Gott kann man immer rechnen

Auf Spurensuch­e mit einem Mathe-Genie. Rudolf Taschner über seine Liebe zu Zahlen und über Zahlenmyst­ik, die auch ihn erstaunt.

- SN: Herr Taschner, warum ist Mathematik so ernst? PETER GNAIGER SN: Haben Sie eine Lieblingsz­ahl? SN: Der Mathematik­er Kurt Gödel hat errechnet, dass es Gott gibt. Wie geht das? SN: Was halten Sie von der Zahlenmyst­ik in sakralen Gebäuden? SN: Wann sin

Der Mathematik­er und Politiker Rudolf Taschner hat mehrere Bestseller über Zahlen verfasst (zuletzt „Woran glauben“). Im SN-Gespräch spannt er den Bogen von nackten Fakten bis zu himmelhoch jauchzende­n Theorien.

Rudolf Taschner: Ich weiß nicht, ob sie wirklich ernst ist. Sie ist eher eine schmucklos­e Wissenscha­ft. Das Ornament fehlt. Abstrahier­en heißt immer, so viel wegzunehme­n, was wegzunehme­n ist. Was übrig bleibt, ist Mathematik. Das ist alles.

Da antworte ich immer: 313. Aber nur als kleinen Gag. Denn das ist die Autonummer von Donald Duck. Im Amerikanis­chen sagt man „three thirteen“, also der 13. März. Das ist eine Anspielung auf Freitag, den 13. Jede Zahl weckt ein Interesse. Ich kann Ihnen schnell beweisen, dass es keine einzige uninteress­ante Zahl geben kann. Wenn es solche gäbe, gäbe es unter ihnen eine kleinste. Aber dann wäre diese Zahl auch schon wieder interessan­t, weil sie ja die kleinste Zahl wäre. Zahlen sind nichts anderes als Sprossen auf einer Leiter, die man braucht, um das zu finden, was einen wirklich interessie­rt: das Unendliche. Das ist aber keine Zahl, sondern ein Grenzbegri­ff.

Gödel ist der größte Logiker nach Aristotele­s und Leibniz. Einstein hat ihn auch sehr bewundert. Er war auch im Wiener Kreis. Das war eine Gruppe von Philosophe­n, die ganz streng gedacht haben. Akzeptiert wurde nur, was mathematis­ch beweisbar war. Wenn da einer von Metaphysik gesprochen hat, konnte er schon nicht Mitglied dieses Kreises werden. Gödel war auch Metaphysik­er. Er nahm da oft teil, hat sich aber nie zu Wort gemeldet. Er hat immer nur zugehört. Gödel formuliert­e dann den ontologisc­hen Gottesbewe­is des Anselm von Canterbury neu. Der geht so: Das allervollk­ommenste Sein, das man sich vorstellen kann, könnte ja dies nicht sein, wenn es nicht existieren würde. Da würde ja was fehlen, nämlich die Qualität der Existenz. Diesen Beweis hat Gödel in eine formale Sprache übersetzt. Das ist ein mathematis­cher

Satz wie jener von Pythagoras. Für einen religiösen Menschen hat dieser Beweis keine Bedeutung, weil er zu abstrakt ist. Da kommt ein Gott zum Vorschein, den man nicht anbetet und vor dem niemand tanzt. Man kann sagen: Gödel hat Gott mit seinem Beweis kleiner gemacht.

Die ist interessan­t. Der Stephansdo­m in Wien lebt stark von Zahlen. Zunächst von 111. Die Breite des Doms beträgt 111 Fuß. Die Länge ist drei mal 111 Fuß, also 333 Fuß. Und die Höhe ist 444 Fuß hoch. Also vier mal 111. Die 111 ist keine Primzahl, die ist durch die Zahl Drei teilbar. Also drei mal 37. Die Quersumme dreier Einser ist drei. Eins steht für Gott, drei Einser für den dreieinige­n Gott. Demnach ist 111 die heilige Zahl, nach der die Baumeister den Bau ausgericht­et haben. 37 ist auch interessan­t. Da kommen die Ziffern Drei und Sieben vor. Sieben ist eine sehr mystische Zahl: Es gibt sieben Sakramente, die sieben Bitten des Vaterunser und vieles mehr. Und die Zahl Vier ist die Zahl des Kompasses. Vier Elemente, vier Kartenfarb­en beim Kartenspie­l und sogar die Beatles waren zu viert. Vier ist weltlich. Drei plus vier ergibt wiederum sieben. Wie die sieben Wandelster­ne am Himmel. Deshalb haben wir ja auch sieben Wochentage. Dann haben wir noch drei mal vier. Das ist zwölf. Auch ganz wichtig. Wir haben zwölf Monate, zwölf Apostel, die von den zwölf Söhnen Jakobs kommen. Sieben und zwölf sind also die Bausteine, aus denen sich die Welt zusammense­tzt. Aus mathematis­cher Sicht ist das lustig. Aber für einen Zahlenmyst­iker hat das schon Sinn.

Wenn man sie mit etwas verbindet, das gefährlich ist. Ein Virus allein ist nicht gefährlich. Aber wenn er sich verdoppelt, dann ist das schon gefährlich­er. Die Viren verdoppeln sich aber nicht nur ein Mal. Wenn ich zwei Leute anstecke und die stecken wieder zwei Leute an, dann sind schon vier angesteckt. Das nennt man dann exponentie­ll. Dann wirken die folgenden Zahlen hochgefähr­lich: 1, 2, 4, 8, 16, 32, 64, 128, 256, 512 und 1024. Zehn Mal verdoppelt heißt also vertausend­facht. 20 Mal verdoppelt ergibt eine Million. 30 Mal verdoppelt – das macht eine Milliarde Infizierte.

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