Dimitrije soll wieder laufen können
Bis zu seinem fünften Lebensjahr war Dimitrije ein gesunder Bub. Seit einer Infektion kann er nicht mehr selbst gehen. Das soll sich ändern.
Dimitrije Vrbanić ist ein fröhlicher Bub. Zurzeit scheint es ihm eine diebische Freude zu machen, seinen Vater zu verbessern, wenn dieser Deutsch spricht. „Es heißt Krücke, Papa, nicht Kracke“, sagt er und lacht. Es ist nicht selbstverständlich, dass der Zehnjährige seine Situation mit so viel Humor nimmt. Denn Krücke und Rollstuhl gehören seit Jahren zu seinem Alltag. Seit einer Knochenmarksentzündung im Alter von fünf Jahren sind vor allem seine unteren Extremitäten gelähmt. Seither kämpft er mit täglichen Therapien darum, seine Beweglichkeit zurückzubekommen.
Jetzt ist Dimitrije zehn Jahre alt und verbringt die Vorweihnachtszeit im Kinderspital des Salzburger Uniklinikums. Im Neurologischen Rehabilitationszentrum absolviert er derzeit eine stationäre Therapie.
Für Dimitrije ist das keine wesentliche Umstellung. Denn fünf Jahre lang sah sein Alltag so aus: Viele Stunden Physiotherapie, dazwischen Schul-Einzelunterricht. Viel Freizeit hat er dazwischen nicht. „Ich schaue gern fern. Das Schwimmen in der Therapie macht mir viel Spaß. Und wir spielen zu Hause eine Art Fußball.“Dabei sitzt er am Boden und schlägt den Ball mit seinen Händen weg.
Bis zu seinem fünften Lebensjahr war der gebürtige Serbe ein gesundes Kind. Dann bekam Dimitrije plötzlich Fieber und Schmerzen. Fünf Tage war er in seiner Heimatstadt Belgrad auf einer Intensivstation. „Man hat um sein Leben gekämpft“, sagt Vater Damir Vrbanić. Eineinhalb
Monate verbrachte Dimitrije im Spital. Eine Zeit lang war er völlig gelähmt, sagt der Vater. Die Folgen der Entzündung waren im MRI noch jahrelang zu sehen.
Nach der akuten Erkrankung begann für den Buben der lange Kampf zurück in sein altes Leben. In die Schule konnte er nicht wie andere Kinder gehen. Neben den vielen Therapien war das nicht so einfach möglich. „Und in Serbien ist das nicht so, dass die Schulen barrierefrei sind“, sagt der Vater.
Vor rund zwei Jahren fasste die Familie dann den Entschluss, von Serbien nach Österreich zu gehen. Dimitrije hatte davor ein zweiwöchiges Therapieprogramm in Salzburg absolviert. In der Zeit habe er so große Fortschritte gemacht, dass die Familie eine Möglichkeit suchte, Dimitrije diese Therapien regelmäßig zukommen zu lassen.
Der erfahrene Koch Damir Vrbanić fand in Salzburg schnell Arbeit, im Sommer dieses Jahres kam Mutter Milena mit Dimitrije nach Österreich nach. Deutsch hatte er bereits ein bisschen mit seiner Lehrerin gelernt – und mit deutschen Fernsehsendungen mit serbischen Untertiteln.
Seit Herbst besucht Dimitrije endlich eine richtige Schule: die Volksschule Obertrum. In der Schule blühte Dimitrije richtig auf und kam auch im Unterricht gleich gut mit. „Ich habe dort viele Freunde“, sagt er. In der Pause kann er beim Fußballspielen mit seinem Rollstuhl im Tor stehen. Während seiner Reha steht er mit seinen Klassenkollegen im regen
Austausch, sie schreiben sich gegenseitig Briefe.
Derzeit ist Dimitrije noch außerordentlicher Schüler. In der Schule ist man aber zuversichtlich, dass er in den kommenden Monaten schon als regulärer Schüler geführt werden kann. Dann könnte er heuer auch schon ein Zeugnis bekommen: Wenn er sich so weiterentwickle, wurde den Eltern gesagt, stehe ihm im nächsten Jahr auch der Weg ins Gymnasium offen.
Es ist aber ein harter Weg, den die Familie bestreitet. Während der Vater im Restaurant arbeitet, ist die Mutter täglich mit den Therapien für ihren Sohn beschäftigt. Auch finanziell ist es für die Familie schwierig. Einen Teil der Physiotherapien zahlt sich die Familie selbst, weil nicht alles von der Sozialversicherung übernommen wird.
Der Start in Österreich war für Damir Vrbanić durchaus holprig. Drei Monate nach seiner Ankunft kam der erste Lockdown. Seither war er die Hälfte der Zeit in Kurzarbeit, auch derzeit muss die Familie mit seinem reduzierten Einkommen auskommen.
Trotzdem seien sie sehr dankbar dafür, wie sie in Österreich aufgenommen worden seien, sagt der Vater. „Der Staat greift uns sehr unter die Arme. Unser Sohn wird für die Schule abgeholt, dort hat er eine Assistentin. All das ist für uns nicht selbstverständlich.“
Dimitrije hat jedenfalls noch große Pläne in seinem Leben. Sein großer Berufswunsch ist Fußballer. Wenn das nicht klappt, wäre er auch sehr glücklich darüber, sich sein Maturazeugnis auf eigenen Beinen abholen zu können.