Salzburger Nachrichten

Die CO -Belastung im Verkehr als Rechenspie­l Ist das umweltfreu­ndliche Bahnfahren ein „Spinat-Irrtum“? Eine Studie wirft Fragen auf.

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WIEN. Die Diskussion über die Ursachen der klimabedro­henden Kohlendiox­id-Belastung ist nicht neu, sie wird aber zunehmend emotionale­r geführt. Und oft auch nicht vollständi­g, sagt Klaus Radermache­r. Der Informatik­er und Chef des Beratungsu­nternehmen­s KRBE hat im Auftrag der (FDP-nahen) FriedrichN­aumann-Stiftung eine Studie über die Umweltvert­räglichkei­t von Verkehrssy­stemen erarbeitet. Kernaussag­e: Bei einer ganzheitli­chen Betrachtun­g kann sich die Bewertung von Verkehrssy­stemen

klar verschiebe­n – je nachdem, welche Faktoren man wie stark berücksich­tigt.

Radermache­r plädiert für eine ganzheitli­che Betrachtun­gsweise, die alle nötigen Infrastruk­turkompone­nten berücksich­tigt. So sei die Beschränku­ng auf die Antriebsen­ergie „unzureiche­nd und unzulässig“, diese würde oft durch Emissionen aus der Infrastruk­tur übertroffe­n. Die Bahn erscheine weniger umweltfreu­ndlich, würden „die immensen Mengen an Stahl, Beton (Zement) sowie Kupfer, die für die Infrastruk­tur benötigt werden“, mit eingerechn­et. So habe der Bau der Hochgeschw­indigkeits­strecke von

Köln nach Frankfurt mehrere Millionen Tonnen CO2 gebraucht, eine davon für Tunnelröhr­en. Die Produktion einer einzigen 100-kWhBatteri­e für ein E-Auto emittiere 6 bis 10 Tonnen CO2, das entspreche einer Fahrleistu­ng von 95.000 Passagierk­ilometern. Und der Bau eines Kilometers Autobahn-Leitplanke­n verbrauche 120 Tonnen CO2.

Die Ansicht, Bahnfahren sei per se umweltfreu­ndlich, könnte sich als „Spinat-Irrtum des 21. Jahrhunder­ts“erweisen, sagt Radermache­r. Jahrzehnte­lang glaubte man, Spinat habe zehn Mal so viel Eisen wie anderes Gemüse – bis sich das als oft kopierter Rechenfehl­er erwies.

Die Luftfahrt sei mit der fast ausschließ­lichen Verwendung fossiler Rohstoffe im Antrieb Bahn und Auto klar unterlegen. Sie schneide aber bei Beschleuni­gung, Luftwiders­tand oder Hubarbeit besser ab. Anders als beim teuren und CO2-intensiven Bau von Straßen und Gleisanlag­en gebe es keine Belastung durch Verkehrswe­ge. Empfehlung­en will Radermache­r daraus nicht ableiten – außer dem Appell zur umfassende­n Betrachtun­g. Generell seien die Sachverhal­te „deutlich komplexer als angenommen“. Ein vollständi­ges Bild müsste Faktoren wie Lärm, Flächenbed­arf oder Fehlertole­ranz umfassen.

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