Wie neutral ist Österreich im Ukraine-Konflikt?
Der Durchmarsch von US- und NATO-Truppen nach Osten sorgte schon mehrmals für Debatten.
WIEN. Sollte der Konflikt um die Ukraine weiter eskalieren, droht Österreich eine Neuauflage der innenpolitischen Neutralitätsdebatte. Der Grund dafür liegt im nie wirklich geklärten Widerspruch zwischen der immerwährenden Neutralität Österreichs einerseits und den österreichischen Solidaritätsverpflichtungen im Rahmen der EUAußen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik andererseits.
Dabei geht es gar nicht um die Frage, ob Österreich in einem militärischen Konflikt um die Ukraine mitkämpfen würde. Die
Unklarheit beginnt schon viel früher: Laut Neutralitätsrecht dürfte Österreich schon vor Ausbruch eines Konflikts nichts tun, was eine der beiden Seiten begünstigen würde – also etwa keine Durchmarschrechte für Truppen gewähren. Tatsächlich nimmt Österreich aber am EU-Projekt „Military Mobility“teil, das die Erleichterung des Truppentransits zum Ziel hat, und genehmigt US- und NATO-Truppen regelmäßig den Durchmarsch.
Innenpolitisches Diskussionsthema war dies zuletzt im vergangenen Frühjahr, als Österreich der USArmee und deren NATO-Verbündeten (von denen 21 auch EU-Mitglieder sind) den Durchmarsch von 2000 Soldaten und 800 Fahrzeugen in Richtung Osten gestattete. Offiziell fuhren die Konvois zu einer Übung. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) begründete die Transitgenehmigung in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ aber ausdrücklich auch mit dem UkraineKonflikt, mit den Kapazitätsunterschieden zwischen der NATO und Russland vor Ort sowie mit der Notwendigkeit der raschen Verlegung von US-Streitkräften nach Osten.
Schon 2014, nach Ausbruch des Ukraine-Konflikts, war in Österreich eine Neutralitätsdebatte ausgebrochen. Die Regierung hatte damals mehr als 3200 US- und NATOTruppentransite
in Richtung Osten genehmigt – zu Übungs- und Ausbildungszwecken, wie es hieß. Die Grünen (damals in Opposition) kritisierten dies scharf und sprachen von einer neutralitätswidrigen Beihilfe zur militärischen Aufrüstung der Ukraine. Auch die FPÖ (traditionell Russland-freundlich) hatte damals Kritik geübt.
Auch dieser Tage hat der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) die Regierung an die Neutralität erinnert. Und die SPÖ (in Neutralitätsfragen traditionell heikel) hat bereits die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrats beantragt, um über Österreichs Rolle im Ukraine-Konflikt zu beraten.