Salzburger Nachrichten

Stumpfsinn ist keine Meinung

Spotify wirft Neil Young hinaus, weil der Musiker Corona-Falschinfo­s kritisiert.

- Bernhard Flieher BERNHARD.FLIEHER@SN.AT

Neil Young, der große Vorsitzend­e der Rockmusik, ist ein Mann klarer Worte: „Keep on rockin’ in the free world“, singt er. Und diese Free World ist eine Welt, die Fake News nicht verträgt, um nicht zu sagen: Fake News werden in der Neil-Young-Welt mit der Macht der E-Gitarre zerlegt und vertrieben. Oder, wenn nichts mehr hilft und der Musik keiner mehr zuhören will in einer laut plärrenden Welt, mit einem offenen Brief. Daher sind diese Gitarre und die nasale Stimme Youngs nicht mehr zu hören auf Spotify. Der Streamingd­ienst Spotify ist derzeit eines der mächtigste­n Herrschaft­simperien der Musikwelt. Was im Fall von Neil Young heißt: Etwa 60 Prozent der weltweit gestreamte­n Musik des Rockmusike­rs werden bei Spotify gehört. Es kann dem 76-Jährigen nach gut 50 Jahren im Geschäft aus finanziell­er Sicht aber durchaus recht egal sein, Spotify bezahlt Künstlerin­nen und Künstler ohnehin lächerlich.

Trotzdem wiegt es schwer, dass Spotify nun die Songs von Neil Young aus dem Programm geworfen hat. Es geht nämlich um eine Frage der Freiheit, um die Frage, was die Basis einer „Free World“sein muss. Young kritisiert­e in einem offenen Brief auf seiner Homepage scharf, dass auf Spotify etwa in Podcasts Verschwöru­ngstheorie­n und Falschinfo­rmationen über Coronaviru­s-Impfstoffe verbreitet werden. Konkret griff er US-Comedian Joe Rogan an: „Sie können Rogan oder Young haben. Nicht beide“, schrieb Young. Doch Spotify kam ihm nun zuvor. Kein Neil mehr, aber Rogan. Man habe Youngs Musik entfernt. Mit Bedauern, wie man in der schwedisch­en Konzernzen­trale mitteilen ließ. Aber was für ein Bedauern soll das sein? Nun könnte man argumentie­ren, dass eine Freiheit auch darin bestehe, Stumpfsinn über Impfstoffe oder Corona zu verbreiten. Doch Meinungsfr­eiheit endet dort, wo unter dem Deckmantel der Meinung wissenscha­ftlich erwiesener Schwachsin­n verzapft wird. Man hoffe, Neil Young bald wieder begrüßen zu dürfen, ließ Spotify wissen. Aber warum denn? Wer Neil Young hört, hat ohnehin seine Schallplat­ten und die CDs daheim.

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