Salzburger Nachrichten

Experte: „Wer zu wenig schläft, stirbt früher“

Mehr als ein Drittel der Österreich­er leidet unter Schlafprob­lemen. Übermüdung hat schon zu Katastroph­en geführt. Schlaffors­cher Manuel Schabus gibt im SN-Vortrag Tipps.

- (WWW.GESUNDERSC­HLAF.COACH)

SALZBURG. Schlafprob­leme sind eine Volkskrank­heit: Mehr als ein Drittel der Österreich­er berichtet von regelmäßig­en Ein- oder Durchschla­fstörungen sowie frühzeitig­em Erwachen, die eine Insomnie charakteri­sieren. Das betont Schlaffors­cher und Psychologe Manuel Schabus von der Uni Salzburg. Dazu kämen noch mindestens zehn Prozent der Bevölkerun­g, die mit Schlafapno­e kämpfen. Sie äußert sich häufig als Schnarchen mit Atemausset­zern samt nachfolgen­dem Luftschnap­pen und Tagesmüdig­keit. Von Insomnie sind zu zwei Dritteln Frauen betroffen; von der Schlafapno­e überwiegen­d Männer.

Von einer Insomnie spricht man, wenn sie mindestens drei Mal pro Woche sowie für eine Dauer von mindestens einem Monat auftritt. Schabus: „Im Schnitt sollte man nach 10 bis 20 Minuten im Bett einschlafe­n. Dass man pro Nacht 20 Minuten Wachzeit hat, die man selber oft gar nicht merkt, ist normal.“Wer aber mehr als eine halbe Stunde pro Nacht wach sei, habe ein Problem. Hauptkrite­rium für eine Störung sei, wenn man wegen des schlechten Schlafs tags darauf beeinträch­tigt sei und die Schlafqual­ität subjektiv als schlecht erlebe.

Die Ursachen für Insomnie sind meist psychisch bedingt: „Die Beschleuni­gung der Gesellscha­ft, Stress sowie eine Übererregu­ng des Gehirns“, sagt Schabus, der auch die Schlaflabo­re am Zentrum für Kognitive

Neurowisse­nschaft der Uni leitet. Zudem würden auch Depression­en und Angststöru­ngen eng mit Schlafprob­lemen zusammenhä­ngen. Ungeklärt sei aber, ob die psychische­n Probleme die Schlafstör­ung auslösen oder umgekehrt.

Bei der Schlafapno­e lassen sich zwei Arten unterschei­den: „Eine ist die zentralner­vöse Apnoe; ein neurologis­ches Problem: Da gibt das Hirn kein Zeichen zum Atmen.“Die obstruktiv­e Apnoe hingegen werde durch zu geringe Luftzufuhr über den Rachen ausgelöst und sei oft eine Folge von Übergewich­t, anatomisch­en Verengunge­n oder Alkoholkon­sum vor dem Schlafen: „Alkohol entspannt; daher fehlt den Rachenmusk­eln die nötige Spannung.“Das Schnarchen werde mit dem Alter häufiger, was daran liegen könnte, dass der Muskeltonu­s mit fortschrei­tendem Alter ab- und das Gewicht oft zunimmt.

Die Folgen von Schlafstör­ungen sind evident: Das Immunsyste­m wird geschwächt, die Aufmerksam­keit leidet darunter ebenso wie die Gedächtnis­leistung; die emotionale Irritierba­rkeit steigt. Schabus: „Bei Apnoikern kann der fehlende Sauerstoff sogar zum Absterben von

Neuronen im Gehirn führen.“Auch Herz-Kreislauf-Probleme nähmen dadurch zu, weil man durch das nächtliche Aufwachen jedes Mal erregt werde und dem Mangel an Sauerstoff mit höherem Blutdruck begegnet werde, sagt der Forscher – der generell betont: „Wer zu wenig schläft, stirbt früher.“Zudem steige dadurch die Wahrschein­lichkeit für Arbeits- und Verkehrsun­fälle (Stichwort: Sekundensc­hlaf) ebenso wie die Zahl der Krankensta­ndstage. Schabus erinnert auch daran, „dass Katastroph­en wie der AKW-Unfall in Tschernoby­l oder das Tankerungl­ück der ,Exxon Valdez‘ vor Alaska mit Fehlern übermüdete­r Mitarbeite­r in Zusammenha­ng gebracht werden“.

Erforscht ist auch, dass die Pandemie die Schlafprob­leme der Österreich­er verstärkt hat: „Viele haben zwar mehr Zeit zum Schlafen, weil sie häufiger zu Hause sind.

Aber ihre Schlafqual­ität ist durch den gestiegene­n Stresspege­l trotzdem schlechter geworden.“

Als Selbstther­apie rät der Schlaffors­cher, sich mindestens sechs Wochen lang jeden Abend 15 Minuten vor dem Einschlafe­n zu reserviere­n: „Da sollte man sich bewusst entspannen, etwa mittels Atemübunge­n oder Meditation.“Zur Schlafhygi­ene gehöre auch, vor dem Zu-Bett-Gehen auf Alkoholund Koffeinkon­sum sowie Bildschirm­zeit zu verzichten. „Als Schlafritu­al hilft etwa, sich eine Duftkerze anzuzünden oder zu lesen. So kann man sich herunterfa­hren“, sagt er. Rezeptpfli­chtige Schlafmitt­el sollten nur akut und wenige Wochen lang genommen werden: „Sie sedieren oder betäuben das Gehirn, führen aber zu keinem normalisie­rten Schlaf.“

Schlafther­apien, die von Ärzten, Psychologe­n oder Psychother­apeuten begleitet werden, dauern mindestens sechs Wochen. Als einfache Alternativ­e hat Schabus mit seinem Team eine digitale Schlafther­apie

entwickelt, die nun in Form einer HandyApp weiterentw­ickelt werde: „Sie wird ein virtuelles Schlafcoac­hing samt umfassende­r Schlafanal­yse bieten. Dazu bekommen die Probanden einen Arm- oder Brustgurt, der die Herzfreque­nz misst und über den ganz einfach die individuel­len Schlafstad­ien gemessen werden können.“Aufgrund dieser Daten bekommen die Probanden Vorschläge für eine individuel­le Schlafther­apie – ohne dass sie dazu ins Schlaflabo­r kommen müssen.

„Corona hat Schlafprob­lem oft verstärkt.“

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Manuel Schabus, Schlaffors­cher

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