Ein Maler ist besessen von Freud
Das Unbewusste inspirierte Salvador Dalí. Stefan Zweig brachte ihn mit seinem Idol zusammen.
Man weiß nicht, ob man sich auf ihn setzen, ihn umarmen oder sich einem möglichen Griff entziehen soll. Den Hände-Stuhl hat der Künstler Salvador Dalí für den Dichter und Mäzen Edward James entworfen. Dieser war anwesend, als der Spanier auf Sigmund Freud traf. Den Psychoanalytiker bezeichnete er als „Bahnbrecher“für seine surrealistische Kunst.
Der Verbindung dieser zwei großen Geister widmet sich das Untere Belvedere in Wien in der kompakten, aber tief angelegten Schau „Dalí – Freud“. Dafür hat sich royaler Besuch angekündigt: Das spanische Königspaar Felipe und Letizia wird die Schau am Montag eröffnen. Für das Museum bedeutet das einen Neustart nach eineinhalb Jahren Schließzeit, in denen das Gebäude in Sachen Barrierefreiheit, Brandschutz und Klimatechnik modernisiert worden ist.
Für die Wiedereröffnung kann das Museum mit herausragenden Leihgaben aus London, Madrid oder Florida aufwarten, wie „Das düstere Spiel“aus 1929. Es ist ein frühes Zeugnis Salvador Dalís Lektüre der Freud’schen Schriften. Mit dem Darstellen von Exkrementen, Masturbation und Begierden brach der Maler ein Tabu. „Das Bild löste einen Skandal aus“, sagt Kurator Jaime Brihuega, der emeritierte Professor für Kunstgeschichte an der Universität Madrid. Bei einem Rundgang durch die Ausstellung tritt er nah an die Bilder heran und zeigt auf Details, wie die Schuhe, die Dalí in vielen Werken versteckt hineingemalt hat. „Diese stehen für einen Fetisch. Auch die Löwenköpfe, die mehrmals zu finden sind, symbolisieren körperliche Begierde.“Lust und Ekel, Leben und Tod, Licht und Schatten sind Motive, die in Dalís Bildern in einem Spannungsverhältnis
zueinander stünden, heißt es von den Kuratoren Brihuega und Stephanie Auer. Direktorin Stella Rollig sagt: „Die Obsession Dalís für Sigmund Freud ist ein Motor seiner Schaffenskraft.“
Der Maler, der 1904 in Katalonien geboren wurde, gilt als Hauptvertreter des Surrealismus. Die Bewegung, die in den 1920er-Jahren entstanden ist, findet Inspiration im Absurden und Fantastischen. „Die Surrealisten wollten einen Schlüssel zum Innenleben finden“, schildert Projektkoordinatorin Eva Lorenzo. „In Freuds Schriften sah man die Lösung für eigene Probleme.“
Der Spanier überwarf sich letztlich mit der Surrealistengruppe um André Breton, weil er Bewunderung für Adolf Hitler zeigte, später auch für den spanischen Diktator Francisco Franco. Ein für die Ausstellung produzierter Kurzfilm von Joan Dolç geht auf den politischen Diskurs um den Künstler ein.
Dalís Verehrung von Freud gipfelte in deren Begegnung. Mehrmals versuchte er, sich dem Arzt in Wien vorzustellen, stand jedoch stets vor verschlossenen Türen. Am 19. Juli 1938 erfüllte sich sein Wunsch. Der Autor Stefan Zweig konnte ein Treffen im Beisein von ihm und Edward James in London arrangieren. Freud war damals 83 Jahre alt und schwer krank. Er soll kaum ein Wort gesprochen haben. Dalí schien die Begegnung mit seinem Idol ernüchtert zu haben: „Zwei Genies waren einander begegnet, und es hatte keinen Funken gegeben.“
Freud jedoch schrieb tags darauf an Zweig: „Bis dahin war ich geneigt, die Surrealisten, die mich scheinbar zum Schutzpatron gewählt haben, für absolute (…) Narren zu halten.“Der Spanier, „mit seinen treuherzig fanatischen Augen und seiner unleugbaren technischen Meisterschaft“, habe ihn aber zum Umdenken gebracht. Vertiefen konnten sie ihre Bekanntschaft nicht. Ein Jahr später starb Sigmund Freud in London. Dalí lebte noch weitere 50 Jahre und starb 1989 in Spanien.