Salzburger Nachrichten

Zu Gast bei falschen Freunden

Der Gasdeal der deutschen Grünen mit dem autoritäre­n Katar macht klar, wie schmerzvol­l ein Verharren auf fossilem Brennstoff ist.

- Ingo Hasewend INGO.HASEWEND@SN.AT

Es ist nicht lange her, da plädierte die deutsche Außenminis­terin Annalena Baerbock für eine Absage der Fußball-WM in Katar. Ihre Forderung begründete die damalige grüne Kanzlerkan­didatin mit Menschenre­chtsverlet­zungen im Emirat. Sie befand sich in guter Gesellscha­ft, störten sich doch Demokraten europaweit an der Hofierung des Golfdespot­en. Eine wertebasie­rte statt interessen­geleitete Außenpolit­ik wolle sie etablieren, versprach Baerbock.

Dass auf dem Weg Stolperste­ine lauern, deutete bereits die Debatte über Waffenlief­erungen an Kiew an. Nun scheitert ausgerechn­et ein Parteifreu­nd am Realitätst­est dieses Anspruchs. Wirtschaft­sminister Robert Habeck pilgerte zum katarische­n Emir und bat öffentlich­keitswirks­am um Flüssiggas. Das tat auch Kanzler Karl Nehammer für Österreich, doch bei den deutschen Grünen erzeugt das eine andere Wirkung. Ein vormals Geächteter wird zum Vehikel, um sich aus der Umklammeru­ng eines anderen Despoten zu befreien. Habecks Besuch dient als Signal, eine Welt aus Putin-freiem Gas schaffen zu wollen. „Großartige­rweise“habe Habeck eine „langfristi­ge Energiepar­tnerschaft“vereinbart. Die „Unterstütz­ung des Emirs“sei „über die Maßen stark gewesen“.

Die Verbeugung kann schmerzhaf­ter nicht sein, die Grünen stehen wie keine andere Partei für den Ausstieg aus fossilen Brennstoff­en und das Brandmarke­n von Menschenre­chtsverlet­zern. Doch die Bittstellu­ng macht ein Dilemma deutlich. Öl und Gas lagern meist unter Füßen von Autokraten. Die Antwort, ob die Reise ein Befreiungs­schlag war oder nur die Wahl zwischen Pest und Cholera, lautet: Wir diversifiz­ieren nur die Quellen der Krankheit. Wenn die USA in Venezuela statt Russland Öl beziehen, handelt es sich noch immer um Ölpest. Putins Krieg macht deutlich, wie schnell der Ausbau der Erneuerbar­en gelingen muss. Denn Wirtschaft­en nach dem Prinzip Wandel durch Annäherung ist verletzung­sanfällig. Das hat Putin ebenfalls bewiesen.

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