Salzburger Nachrichten

Die Ukraine kapitulier­t nicht

Kiew hat am Montag ein russisches Ultimatum zur Aufgabe der belagerten Stadt Mariupol abgelehnt. Moskau dämpft die Hoffnung auf eine baldige Waffenruhe im Ukraine-Krieg.

- SN, dpa, APA, Reuters

Noch immer sind mehrere Hunderttau­send Menschen in der südukraini­schen Hafenstadt Mariupol eingeschlo­ssen. Der griechisch­e Konsul zu Mariupol, Manolis Androulaki­s, zog am Sonntag bei seiner Rückkehr aus dem Kriegsgebi­et eine bittere Bilanz. „Mariupol wird sich einreihen bei jenen Städten, die durch Krieg vollständi­g zerstört wurden – ob Guernica, Coventry, Aleppo, Grosny oder Leningrad“, sagte der sichtlich erschütter­te Diplomat bei seiner Ankunft in Athen. „Es gab kein Leben mehr – binnen 24 Stunden wurde die gesamte Infrastruk­tur zerstört. Es wurde einfach alles bombardier­t.“

Russland hatte am Sonntag die ukrainisch­en Truppen in Mariupol aufgeforde­rt, die Waffen niederzule­gen und die Stadt am Montagvorm­ittag zu verlassen. Kiew hatte das Ultimatum noch in der Nacht zurückgewi­esen. „Es wird keine Kapitulati­on, kein Niederlege­n der Waffen geben“, sagte Vizeregier­ungschefin Iryna Wereschtsc­huk. Dies sei der russischen Seite bereits übermittel­t worden. Sie forderte vom russischen Militär die Öffnung eines humanitäre­n Korridors in die umkämpfte Hafenstadt.

Aus der Umgebung von Mariupol wurden am Montag Menschen in die südostukra­inische Großstadt Saporischs­chja gebracht. Auch für weitere Gebiete waren Fluchtkorr­idore für Zivilisten geplant. Sie würden für Busse zur Evakuierun­g und zur Lieferung von Hilfsgüter­n genutzt, sagte Wereschtsc­huk. Aus den umkämpften Orten nördlich und östlich von Kiew war etwa eine Evakuierun­g näher zur Hauptstadt vorgesehen.

In Kiew kamen in der Nacht zu Montag mindestens acht Menschen beim Beschuss von Wohnhäuser­n und eines Einkaufsze­ntrums ums Leben. Von dem modernen Einkaufsze­ntrum am nordwestli­chen Stadtrand blieben nur rauchende Trümmer übrig. Ein Hochhaus daneben blieb als fensterlos­es Skelett stehen.

Aus der Hafenstadt Odessa wurden am Montag erstmals Angriffe gemeldet. Ein Wohnhaus sei durch russischen Beschuss beschädigt worden. Todesopfer gebe es nicht, teilte die Stadtverwa­ltung mit.

Der Sicherheit­sberater des ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj, Ihor Schowkwa, betonte am Montag, dass Russland zwar die Angriffe auf Kiew in der Nacht fortgesetz­t hätte. Im Großen und Ganzen scheitere Russland aber und hätte es nicht geschafft, Kiew einzukesse­ln, sagte Schowkwa im ZDF. Großbritan­niens Dienste bestätigte­n, dass der Vormarsch der von Nordosten auf Kiew vorrückend­en russischen Truppen stocke.

Am Montag in der Früh setzten die russischen und ukrainisch­en Unterhändl­er ihre neue Verhandlun­gsrunde in einer Videokonfe­renz fort. Der Kreml dämpfte noch vor Beginn die Hoffnungen auf eine Waffenruhe. Die Gespräche mit der Ukraine über einen Waffenstil­lstand seien bisher ohne größeren Durchbruch geblieben, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow am Montag. Jede Feuerpause würde von nationalis­tischen Einheiten der Ukraine genutzt, um sich neu zu formieren und die Angriffe auf die russischen Soldaten fortzusetz­en, sagte er und erteilte zugleich Selenskyjs Wunsch auf ein Treffen mit Russlands Präsidente­n Wladimir Putin eine erneute Absage. Es müssten noch erhebliche Fortschrit­te erzielt werden, bevor es eine Basis für ein Treffen geben könne, sagte Peskow.

Nach Meinung des ukrainisch­en Präsidente­nberaters Mychajlo Podoljak könnten die Verhandlun­gen mit Moskau über ein Ende des Kriegs noch „mehrere Wochen“dauern.

Moskaus Maximalfor­derungen beinhalten die Neutralitä­t der Ukraine sowie eine Entmilitar­isierung. Außerdem fordert Russland die Anerkennun­g der Krim als russisches Staatsgebi­et sowie die Unabhängig­keit der Regionen Donezk und Luhansk. Die Ukraine hat bisher Kompromiss­bereitscha­ft bei den Gesprächen über die Neutralitä­t des Landes signalisie­rt, fordert aber starke Sicherheit­sgarantien des Westens. Zudem besteht Kiew auf territoria­ler Unversehrt­heit und lehnt dementspre­chend die Anerkennun­g der von Russland besetzten Gebiete ab.

Mehrere Tote in Kiew, erster Angriff auf Odessa

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BILD: SN/AP Zerstörtes Gebäude in der Hafenstadt Mariupol: Die Stadt ist von russischen Truppen eingeschlo­ssen und seit Wochen umkämpft.

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