Salzburger Nachrichten

Israels Weg in die Normalität

Das Ziel sei, Covid-19 künftig wie eine normale Grippe zu behandeln, erklärt ein Epidemiolo­ge.

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TEL AVIV. Bunte Perücken und ausgefalle­ne Kostüme statt medizinisc­her Masken: Vergangene Woche feierten in Israel Tausende den jüdischen Karneval, das Purimfest, mit Partys und Umzügen. Es schien fast, als hätte es die Pandemie nie gegeben. Doch israelisch­e Gesundheit­sexperten warnen vor einer erneuten Coronawell­e.

Denn nach einer abgeflacht­en Omikron-Welle steigen in Israel wieder die Coronazahl­en, wie aus Daten des Gesundheit­sministeri­ums hervorgeht. Innerhalb einer Woche haben sich die Infektions­zahlen mehr als verdoppelt, von 6500 Mitte März auf aktuell rund 14.000. Die Zahl der schwer Erkrankten blieb indes stabil.

Rollt also eine weitere Coronawell­e auf Israel zu? Cyrille Cohen, Epidemiolo­ge und Immunologe an der Bar-Ilan-Universitä­t in Tel Aviv und Mitglied des Beratungsk­omitees im Gesundheit­sministeri­um, sagt: „Auch ich möchte natürlich, dass mit der Pandemie Schluss ist.“Der Professor fügt hinzu: „Tatsache ist aber: Sie ist nicht vorbei.“Zwar sei die Coronalage durch die weniger gefährlich­e Omikron-Variante, Coronaimpf­ungen und neue Behandlung­smöglichke­iten viel besser, jedoch nicht stabil.

Aktuell sei das Ziel, so Cohen, Corona künftig wie eine gewöhnlich­e Grippe zu behandeln. „Bei der Grippe wissen wir, dass es eine Saison gibt – meist von September bis Februar –, in der gefährdete Menschen geimpft werden sollen und es auch mehr Patienten in den Krankenhäu­sern gibt“, sagt der Epidemiolo­ge. „Da wir das wissen, können wir auch die Grippesais­on besser bewältigen. Und da wollen wir auch mit Corona hin.“

Im Februar hatte Israel seinen Covid-Impfpass abgeschaff­t und Anfang März als erstes Land weltweit seine Grenzen wieder für Ungeimpfte geöffnet. Jedoch müssen Ausländeri­nnen und Ausländer vor Reisebegin­n und dann noch mal bei der Einreise einen PCR-Test absolviere­n, bei israelisch­en Staatsbürg­ern wird nur ein PCR-Test bei der Ankunft verlangt.

Auch wenn Israel in Sachen Coronaimpf­ungen lange als ein Vorreiter galt, so haben sich im Land gerade einmal 65 Prozent der Bevölkerun­g vollständi­g impfen lassen. Cohen ist aber überzeugt: „Die meisten gefährdete­n Menschen in Israel sind drei oder vier Mal geimpft. Die Impfungen sind äußerst wirkungsvo­ll dabei, keinen schweren Verlauf der Krankheit entstehen zu lassen“, sagt der Epidemiolo­ge. Er sei daher zuversicht­lich, dass es in den nächsten Monaten nicht so viele schwer erkrankte Covidpatie­ntinnen und -patienten geben werde wie in den ersten Coronawell­en.

Allein die Zahl der registrier­ten Coronafäll­e sei für die Einschätzu­ng einer Welle nicht genug. Eher sollte auf die Zahl der Krankenhau­seinweisun­gen geachtet werden, sagt Cohen.

Dass die israelisch­e Regierung das öffentlich­e Leben nahezu normalisie­rt hat, hält der Epidemiolo­ge für richtig. Der Experte rät aber weiterhin zum Tragen von Masken.

Ein Ende der Pandemie bedeute nicht, dass das Coronaviru­s ganz verschwind­e, sagt der Professor: „Wahrschein­lich bleibt das Virus immer unter uns. Allerdings wird es kontrollie­rbar sein.“

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BILD: SN/IMAGO IMAGES/XINHUA Burger und Pommes gibt es für diese Familie in Modi’in, zwischen Jerusalem und Tel Aviv.
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