Schickt bald die EU das Bundesheer in den Einsatz?
Die EU will eine neue militärische Eingreiftruppe. Auch Österreich wird sich beteiligen. Was das für das Bundesheer bedeutet und wie das mit der Neutralität zusammenpasst.
WIEN. „Selbstverständlich sind wir dabei“, so kommentierte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) die EU-Pläne, wonach ab spätestens 2025 in der Union eine neue militärische Eingreiftruppe installiert werden soll. Angesichts des Ukraine-Konflikts wollen die EUMitgliedsstaaten offenbar signalisieren, dass man bei der gemeinsamen Sicherheitspolitik aufs Tempo drückt. In Österreich feuert man damit einmal mehr die Neutralitätsdebatte an. Doch was bedeuten die EU-Pläne konkret für die Republik und das Bundesheer?
Zunächst einmal gibt es auf EUEbene bereits militärische Einsatztruppen, die sogenannten Battlegroups. Bereits 2004 gab es die ersten Debatten darüber, seit 2007 können sie von der EU für Rettungsoder Friedensmissionen in einem Umkreis von 6000 Kilometern rund um Brüssel in Krisenregionen versendet werden. Aus dem Verteidigungsministerium heißt es, dass sich Österreich an diesen Battlegroups seit 2011 regelmäßig mit verschiedener Mannstärke beteiligt hat. 2021 stellte man etwa im zweiten Halbjahr 285 Soldaten, vor allem Sanitäter und ABC-Abwehrspezialisten. Auch Logistiker und Militärpolizisten kamen bereits öfter aus dem österreichischen Heer. In Kooperation mit anderen Ländern
üben die Battlegroups schließlich verschiedene Szenarien und sind für rund ein halbes Jahr in Einsatzbereitschaft, im Einsatz waren sie bisher jedoch noch nie.
Die nun neu geplanten EU-Eingreiftruppen werden auf den Battlegroups aufbauen, die Truppenstärke soll dabei auf 5000 Mann erhöht werden. Zudem sollen bis Ende 2022 bestimmte Szenarien definiert werden, die eine Entsendung dieser Truppen notwendig machen würden. Daraus soll wiederum abgeleitet werden, welches Land welche Spezialisten dafür bereitstellen könnte. Als Beispiel für einen möglichen Einsatz wird in Militärkreisen die Rettung von EU-Bürgern aus einer Konfliktregion genannt, wie zuletzt aus Afghanistan. Ein Einsatz der bestehenden EU-Battlegroups scheiterte damals übrigens.
Im Verteidigungsministerium geht man davon aus, dass die Neuaufstellung der Eingreiftruppen auch eine engere Koordination der gemeinsamen militärischen EU-Beschaffungspolitik notwendig machen würde. Denn in der EU gibt es etwa nicht genügend militärische Transportflugzeuge für eine groß angelegte Rettungsmission. Allerdings ist auch die Idee der EU-übergreifenden Beschaffung von Rüstungsgütern nicht neu.
Bleibt die Frage, wie sich der Ausbau der EU-Truppen mit der „immerwährenden Neutralität“Österreichs in Einklang bringen lässt. Die FPÖ läuft deshalb bereits Sturm gegen die neu angekündigte europäische Militärstrategie. Der EURecht-Experte
Walter Obwexer von der Uni Innsbruck sieht darin allerdings kein Problem, solange gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Laut Obwexer gibt es zwei denkbare Szenarien für einen Einsatz. Erstens: „Wenn der UN-Sicherheitsrat einen solchen Einsatz bewilligt, dann kann sich Österreich aus neutralitätsrechtlicher Sicht voll und ganz beteiligen“, so der Jurist. Dies wäre wie eine Blauhelm-Mission zur Friedenssicherung zu werten. Das zweite Szenario: Gibt es keinen UN-Sicherheitsratsbeschluss, weil ein Mitglied dies blockiert – so wie Russland im Fall des Kriegs in der Ukraine –, könnte sich Österreich laut dem EU-Rechtler nur an humanitären Aufgaben beteiligen. „Wenn diese EU-Eingreiftruppe aktiv eine Kriegspartei unterstützen würde, dann dürfte Österreich nicht teilnehmen.“Das bedeute allerdings nicht, dass sich österreichische Soldaten auf Rettungsmission nicht wehren dürften.
Humanitärer Einsatz ist immer möglich