Wie kann man Putin Einhalt gebieten?
Der Westen steht vor einer schwierigen Aufgabe: Die Sanktionen müssen hart genug sein, um Moskau den Preis für den Angriffskrieg in der Ukraine aufzuzeigen. Doch zugleich braucht es einen Weg für Verhandlungslösungen.
Knapp vier Wochen dauert der russische Angriffskrieg bereits. Präsident Wladimir Putins Erwartung, die Ukraine in wenigen Tagen einzunehmen oder gar als Befreier willkommen geheißen zu werden, hat sich rasch als Illusion erwiesen. Der ukrainische Widerstand kann sich viel besser behaupten als angenommen. Ein Abnutzungskrieg ist vorherzusehen.
Der Westen, primär die NATO, muss nun eine Strategie entwerfen, um Putin wirkungsvoll entgegenzutreten, ohne weiter zu eskalieren. Ziel muss es sein, die Kosten der Aggression in die Höhe zu treiben, Putin dabei aber Auswege aufzuzeigen, die in Verhandlungen münden und am Ende zu einem Friedensschluss führen könnten.
Angesichts der Konturen einer Verhandlungslösung sollte man sich keine Illusionen machen. Ein Sturz Putins ist derzeit unrealistisch. Zu stark sind die politischen und militärischen Strukturen auf ihn ausgerichtet. Sicher fühlen kann er sich nur an der Macht. Daher wird er sie verteidigen, koste es, was es wolle. Womöglich selbst, wenn er realisieren sollte, dass er damit nicht nur den Gegner, sondern sein eigenes Land in den Abgrund reißt. Entsprechende Aussagen sind belegt, weswegen seine Drohung mit atomarer Abschreckung ernst genommen werden muss. Deswegen ist es riskant, wenn führende Politiker Putin – zutreffend – als Kriegsverbrecher bezeichnen oder ihn – zu Recht – vor ein internationales Tribunal stellen wollen.
Putin einen Ausweg anzubieten ist aus einer normativen Perspektive höchst unbefriedigend. Ihn nicht zur Verantwortung zu ziehen widerspricht einem fundamentalen Gerechtigkeitssinn. Doch Gerechtigkeit und politische Klugheit, das Wünschbare und das Machbare, fallen hier auseinander. Wer im Westen harte Maßnahmen einfordert, muss zuvorderst deren Konsequenzen bedenken.
Gleichzeitig müssen rote Linien gezogen werden, in welchen Fällen alle Zurückhaltung abgelegt wird – etwa bei einem Angriff auf ein NATO-Mitglied oder der Nutzung von atomaren, biologischen und chemischen Waffen. Nur muss das Übertreten der roten Linien sanktioniert werden, um glaubwürdig zu bleiben.
So bleiben neben der Unterstützung der Ukraine mit Hilfs- und Waffenlieferungen wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen das Mittel der Wahl. Sie sind grundsätzlich in zwei Konstellationen anwendbar. Einmal als Baustein einer umfassenden Strategie, um den sanktionierten Staat zu einer bestimmten Handlung zu bewegen. Dies kann funktionieren, wenn neben der Peitsche der Sanktionen auch ein Zuckerbrot angeboten wird: unter welchen Bedingungen Sanktionen gar nicht erst verhängt oder wieder aufgehoben werden.
Weiterhin werden Sanktionen verhängt im Falle eines Verhaltens, das man missbilligt – ohne etwas dagegen tun zu können. Wenn sich die Kosten im Rahmen halten, handelt es sich dabei um Symbolpolitik. Man zeigt Haltung, ohne dass dies Konsequenzen hätte. Fallen sie härter aus, wird Druck ausgeübt, um einem Regime zu schaden, mit der vagen Hoffnung, dass sich die Bevölkerung erhebt.
Solche Sanktionen sind strategisch betrachtet meist nutzlos oder gar kontraproduktiv. In aller Regel resultieren daraus humanitäre Notlagen, ohne dass die Stellung der politischen und wirtschaftlichen Eliten des Landes signifikant beeinträchtigt würde.
Die nach dem russischen Angriff verhängten Sanktionen sind härter ausgefallen. Putin hatte wohl nicht mit ihrer Schärfe gerechnet – angesichts vorheriger Unstimmigkeiten innerhalb der EU. Auch der Rückzug rund 400 westlicher
Unternehmen hat ein wirksames Signal gegeben. Die Wirtschaft ist schwer getroffen. Trotzdem ist momentan weder davon auszugehen, dass die russische Bevölkerung sich gegen das Regime wendet, noch dass Teile der Eliten sich gegen Putin wenden.
Umso wichtiger ist es, die Sanktionen strategisch zu nutzen. Dies bedeutet, die Schrauben anzuziehen, um die Position der Ukraine zu stärken. Ohne deren Zustimmung sind keine Lockerungen möglich. Militärisch hilft dies der Ukraine wenig, stellt jedoch ein Unterpfand für Friedensverhandlungen dar, deren Gegenstand auch Reparationen sein können. So bekäme die ukrainische Führung Einfluss auf das Schicksal der russischen Wirtschaft und damit einen größeren Hebel in die Hand.
Andreas Böhm ist Direktor des Center for Philanthropy an der Universität St. Gallen. Er unterrichtet dort am Institut für Rechtswissenschaft und an der American University of Beirut.
Putin hat wohl nicht mit derart harten Sanktionen gerechnet