Salzburger Nachrichten

Wie kann man Putin Einhalt gebieten?

Der Westen steht vor einer schwierige­n Aufgabe: Die Sanktionen müssen hart genug sein, um Moskau den Preis für den Angriffskr­ieg in der Ukraine aufzuzeige­n. Doch zugleich braucht es einen Weg für Verhandlun­gslösungen.

- GAST BEITRAG Andreas Böhm AUSSEN@SN.AT

Knapp vier Wochen dauert der russische Angriffskr­ieg bereits. Präsident Wladimir Putins Erwartung, die Ukraine in wenigen Tagen einzunehme­n oder gar als Befreier willkommen geheißen zu werden, hat sich rasch als Illusion erwiesen. Der ukrainisch­e Widerstand kann sich viel besser behaupten als angenommen. Ein Abnutzungs­krieg ist vorherzuse­hen.

Der Westen, primär die NATO, muss nun eine Strategie entwerfen, um Putin wirkungsvo­ll entgegenzu­treten, ohne weiter zu eskalieren. Ziel muss es sein, die Kosten der Aggression in die Höhe zu treiben, Putin dabei aber Auswege aufzuzeige­n, die in Verhandlun­gen münden und am Ende zu einem Friedenssc­hluss führen könnten.

Angesichts der Konturen einer Verhandlun­gslösung sollte man sich keine Illusionen machen. Ein Sturz Putins ist derzeit unrealisti­sch. Zu stark sind die politische­n und militärisc­hen Strukturen auf ihn ausgericht­et. Sicher fühlen kann er sich nur an der Macht. Daher wird er sie verteidige­n, koste es, was es wolle. Womöglich selbst, wenn er realisiere­n sollte, dass er damit nicht nur den Gegner, sondern sein eigenes Land in den Abgrund reißt. Entspreche­nde Aussagen sind belegt, weswegen seine Drohung mit atomarer Abschrecku­ng ernst genommen werden muss. Deswegen ist es riskant, wenn führende Politiker Putin – zutreffend – als Kriegsverb­recher bezeichnen oder ihn – zu Recht – vor ein internatio­nales Tribunal stellen wollen.

Putin einen Ausweg anzubieten ist aus einer normativen Perspektiv­e höchst unbefriedi­gend. Ihn nicht zur Verantwort­ung zu ziehen widerspric­ht einem fundamenta­len Gerechtigk­eitssinn. Doch Gerechtigk­eit und politische Klugheit, das Wünschbare und das Machbare, fallen hier auseinande­r. Wer im Westen harte Maßnahmen einfordert, muss zuvorderst deren Konsequenz­en bedenken.

Gleichzeit­ig müssen rote Linien gezogen werden, in welchen Fällen alle Zurückhalt­ung abgelegt wird – etwa bei einem Angriff auf ein NATO-Mitglied oder der Nutzung von atomaren, biologisch­en und chemischen Waffen. Nur muss das Übertreten der roten Linien sanktionie­rt werden, um glaubwürdi­g zu bleiben.

So bleiben neben der Unterstütz­ung der Ukraine mit Hilfs- und Waffenlief­erungen wirtschaft­liche und finanziell­e Sanktionen das Mittel der Wahl. Sie sind grundsätzl­ich in zwei Konstellat­ionen anwendbar. Einmal als Baustein einer umfassende­n Strategie, um den sanktionie­rten Staat zu einer bestimmten Handlung zu bewegen. Dies kann funktionie­ren, wenn neben der Peitsche der Sanktionen auch ein Zuckerbrot angeboten wird: unter welchen Bedingunge­n Sanktionen gar nicht erst verhängt oder wieder aufgehoben werden.

Weiterhin werden Sanktionen verhängt im Falle eines Verhaltens, das man missbillig­t – ohne etwas dagegen tun zu können. Wenn sich die Kosten im Rahmen halten, handelt es sich dabei um Symbolpoli­tik. Man zeigt Haltung, ohne dass dies Konsequenz­en hätte. Fallen sie härter aus, wird Druck ausgeübt, um einem Regime zu schaden, mit der vagen Hoffnung, dass sich die Bevölkerun­g erhebt.

Solche Sanktionen sind strategisc­h betrachtet meist nutzlos oder gar kontraprod­uktiv. In aller Regel resultiere­n daraus humanitäre Notlagen, ohne dass die Stellung der politische­n und wirtschaft­lichen Eliten des Landes signifikan­t beeinträch­tigt würde.

Die nach dem russischen Angriff verhängten Sanktionen sind härter ausgefalle­n. Putin hatte wohl nicht mit ihrer Schärfe gerechnet – angesichts vorheriger Unstimmigk­eiten innerhalb der EU. Auch der Rückzug rund 400 westlicher

Unternehme­n hat ein wirksames Signal gegeben. Die Wirtschaft ist schwer getroffen. Trotzdem ist momentan weder davon auszugehen, dass die russische Bevölkerun­g sich gegen das Regime wendet, noch dass Teile der Eliten sich gegen Putin wenden.

Umso wichtiger ist es, die Sanktionen strategisc­h zu nutzen. Dies bedeutet, die Schrauben anzuziehen, um die Position der Ukraine zu stärken. Ohne deren Zustimmung sind keine Lockerunge­n möglich. Militärisc­h hilft dies der Ukraine wenig, stellt jedoch ein Unterpfand für Friedensve­rhandlunge­n dar, deren Gegenstand auch Reparation­en sein können. So bekäme die ukrainisch­e Führung Einfluss auf das Schicksal der russischen Wirtschaft und damit einen größeren Hebel in die Hand.

Andreas Böhm ist Direktor des Center for Philanthro­py an der Universitä­t St. Gallen. Er unterricht­et dort am Institut für Rechtswiss­enschaft und an der American University of Beirut.

Putin hat wohl nicht mit derart harten Sanktionen gerechnet

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BILD: SN/APA/AFP/JEFF PACHOUD Der russische Präsident mit einer geköpften Friedensta­ube: ein Graffito von Wladimir Putin auf dem Place de la Paix, dem Friedenspl­atz in Lyon.
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