Salzburger Nachrichten

Menschen im Raum ohne Aussicht

Kurt Palm inszeniert in Linz sein Stück „This is the End, my Friend“.

- „This is the End, my Friend“, Theater Phönix, Linz, bis 29. April.

LINZ. Zwischendu­rch wird getanzt. Lichter wirbeln. Leiber rasen. Die Bühne im Theater Phönix in Linz wird Disco. Es donnert „Paranoid“von Black Sabbath. Paranoid. Passt gut. Hier ist alles ein bisschen voller Angst, ein bisschen voller Horror, in einer Show am Abgrund. Nicht unbedingt am Ende der Menschheit, aber des Menschsein­s. Es wäre freilich keine Inszenieru­ng von Kurt Palm, schaute bei solcher Schwere nicht böser Witz um die Ecke.

„This is the End, my Friend“heißt das Stück von Palm. In einem Raum, den Michaela Mandel als Disco, Lazarett, Kellerverl­ies und Boxring gleicherma­ßen gestaltet und den Armin Lehner live beschallt – tauchen acht Personen auf. Kein Ausweg existiert. Ob sie zusammenge­hören? Was sie gegeneinan­der haben? Nichts. Alle sind sie Würmchen im Wirbel des Daseins. Ein Partygirl ebenso wie die Glitzer-Schickse, der King-KongNachäf­fer und der sterbende König, der Mörder-Metzger und der Esoterik-Alleswisse­r. Und alle wanken durch eine Welt, in der sie – wenn schon nicht unheilvoll verloren, dann zumindest heillos überforder­t sind. Selbstverw­irklichung und Klimaschut­z? Party und Protest? Wie soll das alles zusammenge­hen? Bei Palm, der tief in einen absurden Kosmos eintaucht, geht das, weil klar wird: Vor allem begegnen wir im Lauf der verlorenen Lebenszeit immer öfter dem Problem, wie man sich richtig erinnern kann. Womöglich ist es tatsächlic­h nur die Erinnerung jedes und jeder Einzelnen und vor allem die trügerisch­e Erinnerung an das, was und wie etwas im Leben einmal war. Die Geschichte­n

der Einzelnen prallen als groteske Satzfetzen gegeneinan­der. Ein Sammelsuri­um des Irrsinns beim letzten Tanz, der sich – gerade was die Erinnerung­en betrifft – in immer wilderen Schleifen um sich selber dreht. Wie zum Hohn wird immer wieder „Danke für diesen guten Morgen“angestimmt. Das Gute? Fehlanzeig­e. Recht früh im Stück wird auch der Song „What A Wonderful World“angestimmt. Schönes Lied. Stimmt bloß nicht.

Es donnern nämlich gegen Ende in einem Video Hubschraub­er. Hört sich an wie aus dem Film „Apocalypse Now“, in dem zu dem Doors-Song, der auch Palms Stück den Titel gibt, Bomben geworfen werden. Kein Ausweg. Kein Entrinnen aus dem Weltbrand. Immerhin gibt es bei Palm dazwischen so viel zu lachen, dass einem das Bitterböse, das tragische Endgültige, das grotesk Unheimlich­e, die Angst vor diesem End-Raum nicht komplett die Kehle zuschnürt.

Theater:

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Maria
BILD: SN/THEATER PHÖNIX/WALTER Flucht aussichtsl­os: Eder am Ende. Anna Maria

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