Salzburger Nachrichten

Wenn das Gefühl, „sich verbiegen zu müssen“, wegfällt

Neue Gelassenhe­it statt Fremdbilde­rn nachlaufen: Birgit Fenderl porträtier­t in einem Buch Frauen um die 50.

-

SALZBURG. Vor zwei Jahrzehnte­n schrieb die ORF-Journalist­in Birgit Fenderl das Buch „30erinnen – Porträts von Frauen, die schon weit gekommen sind“. Jetzt hat die 51-Jährige gemeinsam mit der Fotografin Sabine Hauswirth das Buch „Kurswechse­l bei 5.0 – Porträts einer Frauengene­ration, die sich neu erfindet“(Czernin-Verlag) nachgelegt. „Die Situation für Frauen ist in Österreich ein bisschen besser geworden, aber nicht um so viel, wie man es sich einst erwarten durfte“, sagt Fenderl im SN-Gespräch.

In dem Buch stellt die einstige „ZiB“-Moderatori­n, die heute das Vorabendma­gazin „Studio 2“präsentier­t, 22 erfolgreic­he Frauen um die 50 mit sehr unterschie­dlichen Lebensentw­ürfen vor und erörtert, welches Lebensgefü­hl dieses Alter mit sich bringt. „Keine der Gesprächsp­artnerinne­n möchte wieder 30 sein“, betont Fenderl. Zwar gebe es heute das eine oder andere Wehwehchen, aber „alle haben das Gefühl, sich jetzt nicht mehr verbiegen zu müssen, wie man es früher als junge Frau getan hat“: „Diese neue Gelassenhe­it, die sich breitgemac­ht hat, empfinden viele als angenehm.“

Gesprochen hat Fenderl unter anderem mit der Schauspiel­erin Katharina Stemberger, der Moderatori­n Corinna Milborn, der Soldatin Andrea Lindauer, Mezzosopra­nistin Angelika Kirchschla­ger, Sängerin Shlomit Butbul oder der kürzlich in die Schlagzeil­en geratenen Meinungsfo­rscherin und Ex-Ministerin Sophie Karmasin. Fünf Frauen vom ersten Buch sind auch diesmal wieder dabei. Für Fenderl sind ihre Interviewp­artnerinne­n unterschie­dliche Frauen, die aber „einen gemeinsame­n Nenner haben, den wir alle als sehr angenehm empfinden“: „Als junge Frauen sind wir einem Fremdbild nachgelauf­en. Jetzt ist das Selbstbild dominieren­d: Wir wissen, was wir können, was wir nicht können. Und wir können auch Nein sagen.“Mit 50 plus komme noch dazu, dass das Älterwerde­n etwas sei, was bei Männern relativ egal sei, bei Frauen aber nicht, erklärt die in Wien geborene, in Salzburg aufgewachs­ene ORF-Journalist­in. In der öffentlich­en Wahrnehmun­g würden Frauen ab diesem Alter – siehe Werbung oder Kino – eher verschwind­en. Nachsatz: „Auch wenn sich gerade etwas zu verändern beginnt.“

Was der 50. Geburtstag bei ihr selbst ausgelöst hat? „Ich war einmal die jüngste ,ZiB‘-Moderatori­n mit 26 Jahren – und auf einmal gehört man nicht mehr zu den Jungen. Wenn ein Fünfer vorn steht, ist man keine Nachwuchsh­offnung mehr.“Den vor drei Jahren von der „ZiB“in die Infotainme­nt-Schiene erfolgten Wechsel hätte sie sich früher wohl nie zugestande­n, räumt Birgit Fenderl ein. Doch diese vorgeblich „leichtere“Sendung bringe – wie sie mittlerwei­le wisse – ganz andere Herausford­erungen mit sich: „Ich genieße es wahnsinnig, lockerer arbeiten und genauso intelligen­te und qualitativ wichtige Dinge tun zu können.“

Gleichbere­chtigung in allen Bereichen gebe es definitiv nicht, sagt Fenderl resümieren­d: „Besonders wenn Kinder ins Spiel kommen, aber nicht nur. Man muss nur schauen, wie wenige Frauen in Chefposten wir haben. Weil es eben die Netzwerke der Männer gibt und Frauen sich oft doppelt beweisen müssen.“Ob die ORF-Journalist­in („Buchschrei­ben ist ein schöner Ausgleich zur schnellen Fernseharb­eit“) in 20 Jahren über die 70jährigen Frauen schreiben wird? „Ich kann es nicht ausschließ­en.“

 ?? BILD: SN/ORF/RAMSTORFER ?? Birgit Fenderl
BILD: SN/ORF/RAMSTORFER Birgit Fenderl

Newspapers in German

Newspapers from Austria