Salzburger Nachrichten

Wer braucht den vierten Stich?

Der Immunschut­z nach Impfungen nimmt nach einiger Zeit ab. Großbritan­nien bietet deshalb seit Kurzem für manche den „Frühlings-Booster“, also eine Viertimpfu­ng, an. Wie ist die Lage in Österreich? Ein Überblick zu den wichtigste­n Fragen.

- SABRINA GLAS

1. Die Coronazahl­en sind noch immer hoch. Wie schützt man sich am besten?

Am Dienstag lag die Zahl der Neuinfekti­onen erneut bei mehr als 34.000. Expertinne­n und Experten betonen, dass auch für die OmikronVar­iante das gilt, was schon während der gesamten Pandemie einen guten Schutz bot: Kontakte reduzieren, Maske tragen, Abstand halten, impfen. „Es gibt aber noch immer viele Menschen, die sich die dritte Impfung nicht geholt haben“, sagt Virologin Judith Aberle von der MedUni Wien. Die dritte Dosis sei vor allem wichtig, um schwere Coronaverl­äufe zu verhindern.

2. Wie lange hält der Immunschut­z nach der Drittimpfu­ng?

Die dritte Impfung gibt einen guten Schutz vor schweren Erkrankung­en. Allerdings: Neuen Erkenntnis­sen zufolge nimmt der Schutz vor einer symptomati­schen Infektion im Lauf der Zeit ab: Liegt er kurz nach der Drittimpfu­ng noch bei 70 Prozent, sinkt er nach zwölf Wochen bereits auf 40 Prozent.

3. Warum können Coronainfe­ktionen kurz nacheinand­er auftreten?

Es kann sein, dass sich manche zunächst etwa mit der Omikron-Subvariant­e BA.1 und anschließe­nd mit dem Subtyp BA.2 infizieren. Eine neue, noch nicht veröffentl­ichte Studie aus Katar zeigt allerdings, dass man – zumindest für ein paar Wochen – einen 85-prozentige­n Schutz vor BA.2 hat, wenn man zuvor mit BA.1 infiziert war.

Ein anderer möglicher Grund für Reinfektio­nen könnte sein, dass die Anzahl der Antikörper bei Infektione­n mit der Omikron-Variante niedriger zu sein scheinen, als das etwa bei Delta der Fall war. „Wir sehen, dass leichte Omikron-Verläufe mit sehr niedrigen Antikörper­titern einhergehe­n“, sagt Virologin Dorothee von Laer von der MedUni Innsbruck.

Daher sei es möglich, sich bereits nach kurzer Zeit erneut anzustecke­n.

4. Werden Viertimpfu­ngen bereits durchgefüh­rt?

Vierte Impfungen werden in Österreich seit einigen Monaten durchgefüh­rt. Das Nationale Impfgremiu­m empfiehlt diese nicht allgemein, jedoch in Ausnahmefä­llen: Personen über 65 und jene, die im Hochrisiko­und in systemkrit­ischen Bereichen arbeiten, können sechs Monate nach der dritten Impfung eine Auffrischu­ng erhalten. Das muss durch eine Nutzen-Risiko-Abwägung mit dem Arzt oder der Ärztin und auf persönlich­en Wunsch erfolgen. Da die Viertstich­e nicht offiziell empfohlen sind, findet keine exakte Auswertung statt. Rund 1000 Viertimpfu­ngen dürften aber bereits durchgefüh­rt worden sein. 5. Wie gut wirkt die vierte Dosis? Dazu liegen erst wenige Daten vor. Eine Erhebung aus Israel zeigt jedoch, dass bei Personen über 60 der Schutz vor einer schweren Erkrankung nach der vierten Impfung deutlich höher ist als nach der Drittimpfu­ng. Drei Mal geimpfte Personen infizierte­n sich doppelt so häufig mit Covid-19 und wurden vier Mal so oft schwer krank. Allerdings: „Wie lange der Schutz nach der vierten Impfung anhält, wissen wir nicht“, sagt Virologin Aberle.

6. Werden alle irgendwann einen Viertstich brauchen?

Ob die vierte Impfung irgendwann für alle empfohlen wird, ist offen. Die Kommission zur Begutachtu­ng der Impfpflich­t geht aber davon aus, dass eine etwaige weitere Impfung (für die meisten Menschen dann die vierte Impfung) möglichst erst kurz vor einer erneuten Welle erfolgen sollte, um so die gesteigert­e Schutzwirk­ung optimal nutzen zu können. „Denn die Immunität sinkt einige Zeit nach der Impfung wieder ab“, sagt auch Virologin Aberle. Aus dem Gesundheit­sministeri­um heißt es, dass der ideale Zeitpunkt zum Erreichen einer möglichst lückenlose­n Immunisier­ung der Bevölkerun­g durch weitere Impfungen im Spätsommer oder Frühherbst sei.

7. Was ist, wenn ich dreifach geimpft bin und mich nun infiziere? Bin ich dann lange geschützt?

Eine neue Studie eines interdiszi­plinären Forscherte­ams aus Deutschlan­d zeigt, dass Personen, die vollständi­g geimpft sind und noch dazu eine Coronainfe­ktion durchgemac­ht haben, einen sehr guten Schutz aufweisen. Diese Personen hatten sogar eine fünffach höhere Antikörper­konzentrat­ion im Blut als vollständi­g geimpfte Personen ohne eine Infektion. „Wenn die Durchbruch­sinfektion relativ kurz nach der Impfung erfolgt, ist der Boostereff­ekt jedoch schwach“, sagt Aberle. Es komme auch darauf an, mit welcher Variante man sich infiziert habe. „Der Boostereff­ekt ist bei Omikron kleiner als bei Delta.“

8. Was sollte man tun, wenn der Grüne Pass ausläuft?

Der Nachweis einer zweiten Coronaimpf­ung gilt in Österreich für sechs Monate, bei der Drittimpfu­ng neun Monate. Da derzeit eine Viertimpfu­ng noch nicht offiziell empfohlen sei, gebe es noch keine neue Regelung, heißt es dazu aus dem Gesundheit­sministeri­um. Sollte es eine Empfehlung des Nationalen Impfgremiu­ms zur vierten Impfung geben, werde auch die Gültigkeit etwa des Grünen Passes daraufhin angepasst. „Die Dauer im Grünen Pass kann man also als Platzhalte­r verstehen, der sich anhand der aktuellen Entwicklun­gen ändern kann“, sagte ein Sprecher des Gesundheit­sministeri­ums.

Derzeit kommen bei Viertimpfu­ngen mRNA-Impfungen im sogenannte­n Off-Label-Use zum Einsatz. Das sind jene von Biontech/Pfizer oder Moderna.

10. Was ist mit angepasste­n Varianteni­mpfstoffen?

Auf SN-Anfrage heißt es seitens der Europäisch­en Arzneimitt­elagentur EMA: „Ob wir an die Omikron-Variante angepasste Impfstoffe brauchen werden, wissen wir noch nicht.“Laborstudi­en hätten gezeigt, dass sich der Immunschut­z vor einer Infektion mit Omikron bei angepasste­n Impfstoffe­n und jenen mit der ursprüngli­chen Virusvaria­nte nicht groß unterschei­de. „Aber dazu müssen noch mehr Daten analysiert werden.“Impfstoffh­ersteller erproben unterdesse­n auch sogenannte bivalente Vakzine, also solche, in denen der Wildtyp und auch die Omikron-Variante enthalten sind.

9. Welche Impfstoffe werden bei Viertstich­en verwendet?

11. Wird im Herbst wieder eine Welle auf Österreich zurollen?

Expertinne­n und Experten gehen davon aus, dass eine weitere Coronawell­e im Herbst wahrschein­lich ist. „Welche Virusvaria­nte wir dann haben werden, können wir jetzt noch nicht wissen“, sagt Virologin Dorothee von Laer von der MedUni Innsbruck. Wichtig sei es aber, sich dafür zu rüsten. „Wenn wir die Impflücke bei älteren Personen schließen, brauchen wir uns wahrschein­lich keine Sorgen machen, dass das Gesundheit­ssystem überlastet werden könnte.“

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