„War Usus“: Polizist räumt falsche Berichte zu Drogenscheindeals ein
Gut zwei Jahrzehnte war er im Ermittlungsbereich Suchtmittelkriminalität tätig. Jahrelang war er Aktenführer einer Vielzahl kriminalpolizeilicher Amtshandlungen, die zur Festnahme Dutzender, oft südosteuropäischer Suchtgiftlieferanten führten, die enorme Mengen zum Kauf angeboten hatten: Heroin, Kokain und andere Drogen im insgesamt dreistelligen Kilobereich. Allein: Der letztlich nur vordergründig sehr erfolgreiche Salzburger Drogenermittler soll in seinen Berichten an die Staatsanwaltschaft zu gleich 17 der von ihm geführten Verfahren bzw. Einsätze – größtenteils ging es um Drogenscheinankäufe – den Ablauf der Scheindeals falsch oder unvollständig dargestellt haben. Teilweise habe er die in seinen Berichten verfassten Sachverhalte frei erfunden.
Konkret lastete der St. Pöltner Staatsanwalt Leopold Bien dem Ex-Drogenfahnder – er wurde inzwischen versetzt – Amtsmissbrauch in 17 Fällen und zweifache falsche Beweisaussage an. Aus Gründen der Anscheinsbefangenheit wurden die Ermittlungen in St. Pölten geführt. Im Wesentlichen, so Bien am Dienstag beim Prozessauftakt gegen den Polizisten am LG Salzburg, habe der Angeklagte zwischen 2011 und 2016 bei den inkriminierten Drogenscheindeals
„Vertrauenspersonen (VP) bzw. V-Männer eingesetzt, aber dann ihre Tätigkeiten in seinen Berichten verschwiegen, verschleiert oder ihre Rolle falsch dargestellt“. Dadurch habe der Angeklagte einerseits den Staat bzw. die zuständige Staatsanwaltschaft und auch Gerichte in deren Recht auf eine objektive Strafverfolgung bzw. Sachverhaltsklärung geschädigt. Andererseits, so Bien, „hat er die Beschuldigten bzw. wegen Drogenhandels
Angeklagten in ihrem Recht auf Offenlegung und Erörterung aller ihrer Verteidigung dienenden Umstände geschädigt; dies vor allem im Hinblick auf ein mögliches Vorliegen einer unzulässigen Tatprovokation durch von ihm eingesetzte VP“.
Im Kampf gegen organisierte Drogenkriminalität sind Scheinkäufe Usus. Die Polizei setzt dazu V-Männer ein, die oft selbst aus der kriminellen Szene stammen. Die VP sollen Kontakte zu Tätergruppen herstellen, die große Mengen zum Verkauf anbieten; als von der VP vermittelter Käufer
tritt dann meist ein verdeckter Ermittler der Polizei auf. Die VMänner, so Bien, „dürfen Anbieter aber nicht zu mehr treiben, als sie bereit sind zu tun“: Ist der später Angeklagte über Gebühr zum Besorgen von Drogen gedrängt, also unzulässig zur Tat provoziert worden, so war das bis 2016 ein gewichtiger Strafmilderungsgrund. Seither hat unzulässige Tatprovokation sogar Straffreiheit für den Anbieter zur Folge.
Das nicht gesetzeskonforme Vorgehen des Polizisten war Ende 2016 nach einer Strafanzeige gegen ihn aufgeflogen – erstattet hatte sie Verteidiger Kurt Jelinek. Damals ging es um vier Männer, die elf Kilo Kokain an einen verdeckten Ermittler übergaben. Das Gericht sprach das Quartett später frei, weil es nicht ausschließen konnte, dass die Männer vom eingesetzten, aber verheimlichten V-Mann unzulässig zur Tat provoziert wurden.
Der Polizist (Verteidiger: Bernhard Kettl) sagte zu Prozessbeginn, dass er sich „schuldig“bekenne. Später betonte er aber, er sei in den 90er-Jahren in die Drogenabteilung gewechselt „und da ist es schon Usus gewesen, die VP zu deren Schutz aus den Amtshandlungen herauszuhalten“. – Der Schöffenprozess (Vorsitz: Richterin Elisabeth Reich) wird am Freitag fortgesetzt.
„Ich hatte jahrelang sehr viel Arbeit. Ich habe das Ganze gar nicht bedacht.“