Die Sehnsucht nach der Fremde
Von Guggenthal nach Schanghai, Bukarest und dann Johannesburg: Heute ist Edith Predorf Wirtschaftsdelegierte in Kenias Hauptstadt Nairobi. Vom Abenteuer hat sie noch nicht genug.
Weit weg! Das habe sie schon als Jugendliche gereizt, sagt Edith Predorf. „Mit siebzehn habe ich das erste Mal meinen Rucksack gepackt und bin mit einem Freund für zwei Wochen nach China abgehauen.“Ohne ein Wort Chinesisch zu sprechen und eigentlich auch ohne Plan, räumt die 40-jährige Salzburgerin aus Guggenthal heute ein. „Es war wohl vor allem das Exotische, das mich fasziniert hat.“
Der Plan kam später: Predorf studierte Sinologie an der Universität Wien, daneben noch Wirtschaft. Ihren ersten Posten in der Außenwirtschaft der Österreichischen Wirtschaftskammer bekam die Salzburgerin dann auch – dank ihrer Sprachkenntnisse – in Schanghai. „Chinesisch kann doch nicht jeder sprechen.“Danach folgten drei Jahre in Rumäniens Hauptstadt Bukarest und drei weitere in Johannesburg in Südafrika.
„Danach kommt einem Nairobi richtig sicher vor“, lacht Predorf. Seit 2019 ist sie Wirtschaftsdelegierte
in Kenias Hauptstadt Nairobi – und damit zuständig für die wirtschaftlichen Beziehungen Österreichs zu elf ostafrikanischen Staaten, neben Kenia etwa Tansania, Äthiopien, Uganda oder Ruanda. „Die Seychellen gibt’s als Zugabe obendrauf.“
Nairobi sei ihr erster Posten als Wirtschaftsdelegierte, nicht als Mitarbeiterin, sagt Predorf. In ihrem Büro, das in der österreichischen Botschaft in einem der noblen Viertel in Nairobi untergebracht ist, arbeitet sie zusammen mit vier kenianischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Direkt vor ihrem Fenster schwingen sich Affen durch die Bäume.
„Kenia ist wunderschön“, sagt Predorf. Das reinste Urlaubsparadies auf der einen Seite mit den beeindruckendsten Safaris. Auf der anderen Seite türmen sich hier aber auch Müllberge, in denen Kinder für wenige KeniaSchillinge Plastikflaschen aus dem Dreck graben, um überleben zu können, und offenbart sich bedrückende Armut in den verschmutzten Gassen der Slums. „Die Wahrheit liegt dazwischen.“Vor allem aber seien es die Menschen hier, die es ihr angetan hätten, meint Predorf. „Die Kenianer sind wahnsinnig freundlich und unglaublich herzlich.“
Und: Hier habe jeder Zeit, schildert Predorf. Gerade für sie, die eher gestresst sei, eine wirklich gute Schule. „Auf die Anfangsfrage am Telefon: ,Are you busy?‘, würde hier keiner sagen, dass er derzeit unmöglich Zeit habe und man doch bitte ein EMail schreiben solle. Hier sagt jeder: ,No problem!‘“Auch E-Mails seien in Kenia wenig wert. „Hier geht es um den persönlichen Kontakt.“Im Gegenzug freilich bedeute das auch, viel Zeit mit Warten zu verbringen. In der Hauptstadt Kenias wird jede noch so kurze Autofahrt schnell zum zweistündigen Staustehen. Der öffentliche Verkehr beschränkt sich auf bunt bemalte private Kleinbusse, die Straßen sind fast zu jeder Tageszeit heillos überfüllt und die Verkehrsregeln empfinde man hier eher als ,suggestions‘ – also als Vorschläge. Pünktlich zu sein sei damit absolut unüblich, zwei Stunden später zu kommen die Norm. Die Antwort der Kenianer auf alle Widrigkeiten und Härten: „Hakuna Matata – alles in Ordnung, alles wird gut.“
Was sie an Salzburg vermisse? Das Skifahren, die Ruhe im Vergleich zu Großstädten wie Schanghai oder Nairobi. „Und das Privileg, von meinen Eltern in Guggenthal richtig verwöhnt zu werden. Die sind schönerweise richtig stolz auf mich.“
Zurück nach Österreich wolle sie vorerst dennoch nicht. „Wenn nach fünf bis sieben Jahren meine Zeit als Wirtschaftsdelegierte in Nairobi endet, werde ich mich für einen neuen Posten im Ausland bewerben.“Wo, das sei eigentlich zweitrangig. „Langweilig wird mir, glaube ich, nie und neugierig bin ich noch auf unglaublich viele Länder dieser Welt.“
„Die Seychellen gibt’s als Zugabe obendrauf.“
Edith Predorf, Wirtschaftsdelegierte