Der Minister in der Zentrifuge
Die Coronapolitik hat es derzeit ganz besonders schwer. Aber muss man deshalb das Chaos auch noch vergrößern?
Ein Minister, der tagelang keine Verordnung zusammenbringt, obwohl er sie theoretisch im Alleingang machen könnte – hat wegen Unfähigkeit zurückzutreten, wie bereits gefordert wird? So einfach ist es leider nicht.
Einfach hat sich der neue Gesundheitsminister seine Aufgabe vermutlich auch nie vorgestellt. Aber dass es trotz all der politischen Erfahrung, die ihm zugeschrieben wird, so schwierig werden würde, wohl auch nicht. Zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt wurde er mehr ins Amt gedrängt, als es angestrebt zu haben. Und sofort wirkten auf Johannes Rauch bei explodierenden Infektionszahlen Zentrifugalkräfte aller Art ein. Hier die Interessen der ÖVP und der anderen Ressortchefs, dort jene der Länder; hier die Interessen der Wirtschaft, dort jene der Personalvertreter; hier Uneinigkeit selbst in beratenden Expertengremien, dort eine in der Coronafrage zutiefst gespaltene Opposition, die zwischen Vorsicht und Verantwortungslosigkeit schwankt. Das in einer derart infektiösen Coronawelle, in der bisher recht verlässlich wirkenden Instrumenten wie PCR-Tests nur mehr bedingt zu trauen ist, weil sich das Ergebnis bereits überholt haben kann, wenn es eintrifft. Ferner diagnostiziert werden muss, dass der Impfstoff vor Ansteckung mit Omikron nur bescheiden schützt. Außerdem festgestellt werden muss, dass das Experiment Selbstverantwortung gescheitert ist, nicht zuletzt wegen widersprüchlicher Vorgaben. Und dass die, denen es vergangene Woche nicht scharf und schnell genug gehen konnte, diese Woche wieder bremsen, weil die Zahlen leicht sinken.
Dass der Regierung in dieser Gemengelage die Rezepte für tragfähige Kompromisse ausgehen, mag nachvollziehbar sein. Andererseits: Es ist nun einmal ihr Job. Garantiert nicht ihr Job ist es, den Eindruck von Chaos zu erwecken. Oder besser gesagt: diesen Eindruck auch noch zu verstärken.
Ja, natürlich: Rauch hätte den starken Mann markieren und die Verordnung im Alleingang durchsetzen können. Nur lehrt die politische Erfahrung: Das macht er genau ein Mal. Und es ist sinnlos, weil alle anderen dann auf stur schalten und die verordneten Regeln bestenfalls halbherzig umsetzen.
Was soll man dem Mann raten? Auch das ist leider nicht so einfach.