Völlig von der Rolle
Die Preise explodieren, Druckereien und Verlage bekommen kaum genug Papier. Warum Papier plötzlich zur Mangelware wird.
SALZBURG. Um wie viel die Preise derzeit steigen, das sei eigentlich kaum noch zu errechnen, sagt Ingeborg Dockner, Branchenobfrau der heimischen Druckereien. „Wir haben gerade die jüngste Umfrage unter unseren Mitgliedern ausgewertet, aber die ist bereits heillos veraltet.“Zwischen 25 und 50 Prozent sei der Papierpreis für die heimischen Druckereien von Jänner 2021 bis Jänner 2022 gestiegen. Mittlerweile seien es wohl zwischen 60 und 70 Prozent, sagt Dockner. Der Papierpreis kennt seit Monaten nur eine Richtung: steil nach oben.
Die Gründe sind vielfältig: Mehr Digitalisierung, weniger Papier, das habe ab 2005 europaweit zu einer Halbierung der Menge an grafischen Papieren geführt, sagt Patrick Mader, Sprecher der heimischen Papierindustrie. Dafür habe es bei Verpackungen – nicht zuletzt durch den steigenden Onlinehandel – starke Zuwächse gegeben. Der erste Corona-Lockdown schließlich habe zu einem Einbruch bei grafischen Papieren geführt. „Werbeprospekte, ob für Tourismus oder Handel, wurden nicht gedruckt, bei Verpackungen war der Zuwachs bescheiden und der Boom bei Klopapier war schnell vorbei.“Die Papierwerke drosselten die Produktion. 2021 sei dann zum entstandenen Rückstau eine weit stärkere Nachfrage als erwartet gekommen, sagt Mader. Die Preise stiegen rasant. Jetzt komme noch der explodierende Gaspreis dazu, Papiererzeugung sei energieintensiv. Gebe es keine Entlastung, drohen laut Papierindustrie Abschaltungen, wie das zuletzt in einem steirischen Papierwerk kurzfristig geschehen ist.
„Von der Papierindustrie bekommen wir schon heute keine Preise mehr, nur Tagespreise, die dann bei tatsächlicher Lieferung weit höher sein können, je nach Gaspreis“, sagt
Gerhard Aichhorn, Chef der Lungauer Samson-Druck und Salzburger Branchensprecher. Kunden ein Angebot zu stellen sei schwer. „Viel schlimmer ist aber die Verfügbarkeit.“20 Tonnen Standardpapier habe er jüngst bei einem langjährigen Partner bestellt, der könnte frühestens im Oktober liefern.
Auch Dockner spricht von massiven Lieferengpässen. Das trifft auch Verlage und Medienhäuser. „Mittlerweile kostet die Tonne Zeitungspapier im Schnitt schon knapp 1000 Euro“, sagt Gerald Grünberger vom VÖZ (Verband Österreichischer Zeitungen). Die Versorgung mit Zeitungspapier sei gewährleistet, der Preisanstieg signifikant.
Noch nicht durchgeschlagen habe der Preis bei Büchern, sagt Klaus Seufer-Wasserthal, Chef der Rupertus-Buchhandlung und Salzburger Branchensprecher. Was jetzt verkauft werde, wurde ja bereits gedruckt. Dass der Buchpreis zuletzt leicht steige, sieht er nicht nur negativ. „Der Preis für Bücher ist seit der Euroeinführung vor 20 Jahren eigentlich nicht gestiegen.“Die Margen für alle, ob Verlage oder Buchhändler, waren extrem knapp.
Auch Samson-Chef Aichhorn sieht es „mit einem weinenden und einem lachenden Auge“, dass in die Papierpreise Bewegung kommt, nachdem es jahrelang billiger wurde. „Papier wird wieder wertiger.“