Salzburger Nachrichten

Julian Assange heiratete im Gefängnis

Der Wikileaks-Gründer und Stella Morris gaben einander im Hochsicher­heitsgefän­gnis Belmarsh in London das Jawort. Die Feierlichk­eiten werden von der Ablehnung seiner Berufung durch den britischen Supreme Court überschatt­et.

-

Immerhin das Wetter stimmte, als Julian Assange und Stella Moris einander am Mittwochna­chmittag das Jawort gaben. Ansonsten jedoch war die Hochzeit wie keine andere. Denn die beiden heirateten im Londoner Hochsicher­heitsgefän­gnis Belmarsh.

Kurz vor 13 Uhr traf die Braut in einem silbernen Kleid nach dem Entwurf der Modedesign­erin Vivienne Westwood ein, um sich auf dem Weg zur Trauung fotografie­ren zu lassen. Zugelassen waren nur wenige Gäste: Moris’ Mutter Teresa Devant, ihr Bruder Adrian Devant, Assanges Vater Richard Assange, sein Bruder Gabriel Shipton sowie die beiden kleinen Söhne des Paares. Unterstütz­er waren eingeladen, vor dem Gefängnis mitzufeier­n.

Die Braut Stella Moris musste für diesen Tag viele Zugeständn­isse machen. So empörte sie sich darüber, dass kein Fotograf und überdies keine Presse anwesend sein durften. Alles Dinge, die man anderen Gefangenen durchaus schon erlaubt habe, betonte Moris. „Aber für Julian, der noch nicht einmal eine Strafe verbüßt, scheinen andere Regeln zu gelten.“Sie glaubt, man befürchte wohl, dass Assange als Mensch gesehen werden könnte.

Die Feierlichk­eiten wurden zusätzlich von der Ablehnung eines Berufungsa­ntrags gegen die Auslieferu­ng des gebürtigen Australier­s an die USA durch den britischen Supreme Court überschatt­et. Seit vergangene­r Woche liegt die Entscheidu­ng über die Zukunft von Assange und seiner Familie damit bei der britischen Innenminis­terin Priti Patel. Die konservati­ve Politikeri­n gilt in Großbritan­nien als hart, unnachgieb­ig und wenig empathisch.

Washington begründet die Forderung nach Assanges Auslieferu­ng mit dem US-Spionagege­setz. Der Vorwurf: Der 50-Jährige habe mit der Whistleblo­werin Chelsea Manning geheime Informatio­nen zu Militärakt­ionen im Irak und in Afghanista­n veröffentl­icht, darunter das Video mit dem Titel „Collateral

Murder“. Es zeigt Soldaten eines Kampfhubsc­hraubers, die während eines Einsatzes in Bagdad Zivilisten töteten. Diese Veröffentl­ichungen auf der Wikileaks-Plattform machten Assange 2010 schlagarti­g berühmt. Denn es waren hochsensib­le Informatio­nen, die ein anderes Licht auf das Gebaren der USA warfen. Sie sind aber auch dafür verantwort­lich, dass Assange im

Fall einer Auslieferu­ng in die USA bis zu 175 Jahre Haft drohen.

Zuflucht vor einer Auslieferu­ng fand der Australier zunächst in der ecuadorian­ischen Botschaft im Zentrum Londons. Dort lernten er und die Anwältin Moris einander laut eigenen Angaben im Jahr 2011 kennen und kamen sich näher. „Sie fanden Liebe an einem hoffnungsl­osen Ort“, ist auf der Homepage, die anlässlich ihrer Hochzeit eingericht­et wurde, zu lesen. Sechs Jahre später beschloss das Paar zu heiraten. Offiziell wurde die Beziehung jedoch erst 2020, nachdem der Wikileaks-Gründer wegen eines Machtwechs­els in dem südamerika­nischen Staat der Botschaft verwiesen wurde. Die Bilder von Polizisten, die ihn im Jahr 2019 festnahmen und aus dem Gebäude trugen, gingen damals um die Welt.

Seit mehr als zwei Jahren ist Assange im Hochsicher­heitsgefän­gnis Belmarsh im Südosten der britischen Hauptstadt untergebra­cht, wo er und seine Braut einander das Jawort gaben. Nach der Trauung feierte die Hochzeitsg­esellschaf­t vor dem Gefängnis. Es gab Sekt, eine Torte und Livemusik. Die Stimmung war so ausgelasse­n wie möglich – angesichts der Tatsache, dass eine wichtige Person nicht mit dabei sein konnte: der Bräutigam.

 ?? BILD: SN/AP/MATT DUNHAM ?? Stella Moris auf dem Weg zur Trauung. Vor dem Gefängnis versammelt­en sich Unterstütz­er.
BILD: SN/AP/MATT DUNHAM Stella Moris auf dem Weg zur Trauung. Vor dem Gefängnis versammelt­en sich Unterstütz­er.

Newspapers in German

Newspapers from Austria