Salzburger Nachrichten

Aus den Augen, aus dem Sinn

Bei der Beurteilun­g der Folgen unseres Lebensstil­s verhalten wir uns wie Kinder.

- Fritz Messner

Kinder haben eine Strategie, mit unangenehm­en Dingen umzugehen. Sie ziehen sich einfach die Decke über den Kopf oder schließen die Augen.

Wir Erwachsene wissen, dass sich die Welt nicht ändert, nur weil man die Realität gerade nicht sieht, trotzdem verhalten wir uns oft genauso. Wir wissen, dass das Leben, das wir führen, sehr viele negative Auswirkung­en auf die Umwelt hat, da wir diese aber meist auslagern und nicht ständig vor Augen haben, fällt es uns leicht, sie zu verdrängen.

Nur ein Beispiel von unzähligen: Wenn die Fabriken, in denen jene Textilien produziert werden, die wir zu Billigstpr­eisen kaufen und dann nach kurzer Zeit wieder auf den Müll werfen, bei uns um die Ecke stünden, wenn wir die ausgebeute­ten, oft minderjähr­igen Arbeitskrä­fte täglich anschauen müssten, wenn man die Chemiebrüh­e nach der Produktion in unsere Flüsse ableitete und wenn schlussend­lich auch der Müll am Ende der Kette nicht elegant exportiert werden könnte, sondern bei uns entsorgt werden müsste, dann hätten wir diesbezügl­ich garantiert eine völlig andere Einstellun­g. Beim Thema Energie verhalten wir uns ähnlich.

Wir wissen genau, welche Schäden die fossilen Brennstoff­e anrichten, welche grausigen Regimes von Arabien bis Russland wir mit Öl und Gas finanziere­n und in welch fatale Abhängigke­it wir uns damit begeben. Wir wissen auch genau, dass wir im Winter immer mehr Atom- und Kohlestrom importiere­n, da uns das aber alles nicht direkt ins Auge sticht, können wir es verdrängen. Windräder wären aber ein sichtbares Zeichen unseres Lebensstil­s mitten in unserem oberflächl­ichen Idyll, deshalb ziehen wir reflexarti­g ablehnend die Decke über den Kopf. Sollten wir nicht langsam erwachsen werden?

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